Patientenverfügung erneuern

Eine verbindliche Patientenverfügung muss alle 5 Jahre erneuert werden – so schreibt es das österreichi­sche Gesetz vor. In Deutschland empfiehlt das BMJV.de eine Patientenverfügung sogar einmal jährlich zu erneuern oder zu bestätigen. (Quelle: BMJV.de)

Was hat aber der Verfüger davon? Wird ihm dadurch klarer was er möchte? wird er dadurch in seiner Entscheidung bestärkt? oder hat er dadurch mehr Gewissheit, dass sein Wille umgesetzt werden wird?

Zumindest die letzte Frage könnte man mit JA beantworten. Denn je älter eine Patientenverfügung ist, und je öfter sie erneuert wurde, desto authentischer ist sie und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auch umgesetzt werden wird.

nur erneuern oder auch überprüfen?

Betrachten wir zunächst wie die zu erneuernde Patientenverfügung entstanden ist. Neben Checklisten, Formularen und Textbausteinen findet man im Internet auch Plattformen[1], die über interaktive Interviews eine Patientenverfügung formulieren. Rasch ist ausgewählt welche lebensverlängernde Maßnahme(n) (z.B. künstliche Beatmung, Wiederbelebung, Ernährungssonde, etc.) man gewillt ist abzulehnen. Auch wann die Ablehnung wirksam werden soll, kann meist angeklickt werden. Das sind im Allgemeinen Standardsituationen, wie sie auf Intensivstationen oder auf onkologischen und palliativmedizini­schen Abteilungen vorkommen. Auf mehr oder weniger die gleiche Art entstehen auch Patientenverfügungen nach ärztlicher und juristischer Beratung. Das Generieren von derart entstandenen Patientenverfügungen kann man beliebig oft wiederholen. Die Überprüfung seiner Entscheidung gelingt damit aber nicht.

wie also erneuert man eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung errichten heißt, sich mit dem eigenen Lebensende auseinander setzen. Und das Lebensende kann heute schon eine Phase von mehreren Jahren umfassen. Während die­ser letzten Lebensphase können auch Situationen auftreten, in denen ich (noch) selbst entscheiden kann und deshalb auch selbst entscheiden muss eine Maßnahme abzulehnen. Dabei geht es um Untersuchungen oder Operationen genau so, wie um die Frage: Welches meiner Medikamente würde ich weglassen, wenn ich die Entwicklung meines Zustandes ab jetzt der Natur überlassen möchte? Denn nicht nur als Wachkomapatienten oder als Sterbende sondern auch als Pflegefälle würden viele lieber sterben, anstatt durch medizinische Maßnahmen am Leben erhalten werden – wodurch ihr Leiden nur länger andauert.

So wie beim Erstellen einer Patientenverfügung, sollten Betroffene auch beim Erneuern des Dokuments entscheiden, ob sie durch Ablehnen einer medizinischen Maßnahme vielleicht früher sterben wollen, anstatt ohne Lebensqualität länger zu leben.

wann soll die Patientenverfügung wirksam werden?

Obwohl eine Patientenverfügung erst wirksam wird, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr kundtun kann, heißt das nicht, dass sich der Verfügende beim Errichten der Patientenverfügung nur auf solch eine Situation beschränken muss – nämlich, dass der Sterbeprozess schon begonnen hat, und der Patient sich nicht mitteilen kann. Viel öfter als die in einer Patientenverfügung beschriebene Situation kommt es nämlich vor, dass man selbst noch entscheiden kann und entscheiden muss, ob man eine medizinische Maßnahme zulässt oder ob man sie ablehnt. Deshalb sollte auch ein Arzt, ein Jurist oder ein Formular nicht nur einige wenige Maßnahmen zur Auswahl stellen. Vielmehr sollte jeder herausfinden und überprüfen, wie er selbst entscheiden würde.

erneuern oder wiederholen?

Was bedeutet es nun eigentlich „seine Patientenverfügung erneuern“? Ist damit gemeint ein weiteres Mal seine Häkchen vor die zur Auswahl stehende(n) Maßnahme(n) zu setzen die man ablehnt, seine Unterschrift in Anwesenheit eines Notars darunter zu setzen, oder soll ein Jurist klären, ob es zur Formulierung von Patientenverfügungen eine neue Judikatur gibt? Soll diese vom Verfügenden in seiner Tragweite meist nicht verstandene Prozedur bloß wiederholt werden, damit Ärzte und Juristen einen weiteren Beweis für die Authentizität des Dokuments haben?

überdenken und überprüfen

Meines Erachtens sollte mit dem Erneuern und Bestätigen seiner Patientenverfügung einhergehen, dass der Verfügende seine ursprüngliche Entscheidung überprüft und überdenkt. Er muss sich jedes Mal aufs Neue die Frage stellen, ob die seinerzeit getroffene Entscheidung noch aufrecht ist. Denn eine einst abgelehnte Maßnahme könnte heute – infolge weiterer medizinischer Fortschritte – eine bessere Erfolgschance haben als damals. Ebenso könnte sich die persönliche Situation geändert haben, die ihn nun zu einer anderen Entscheidung bringt oder ihn sogar dazu veranlasst, weitere – in der bisherigen Patientenverfügung noch nicht genannte – Maßnahmen abzulehnen.

wann lehne ich welche Maßnahme ab?

Aus der Vielzahl von medizinischen Möglichkeiten muss der Verfüger herausfinden ob und wann er eine bestimmte Maßnahme zulässt oder ablehnt. Sein Gefühl gibt ihm zwar eine Ahnung, aber konkretes Wissen für die Entscheidung hat er nicht.  Deshalb wäre es ideal, wenn er sein subjektives Gefühl mit einem fachlich kompetent berechneten, objektiven Ergebnis vergleichen kann. Doch dürfen von ihm dafür keine medizinischen Vorkenntnisse verlangt werden.

wer wird meine Patientenverfügung umsetzen?

Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass die Patientenverfügung ausschließlich an Ärzte gerichtet ist, die im Spital Intensivmaßnahmen unterlassen sollen. Auch von Sanitätern kann man verlangen z. B. Wiederbelebungsmaßnahmen zu unterlassen. Und selbst Angehörige können mit einer Patientenverfügung angewiesen werden, mich nicht ins Spital zu bringen. Aber auch ich selbst kann möglicherweise derjenige sein, der den Inhalt meiner Patientenverfügung umsetzen wird.

Deshalb muss der Verfügende im nächsten Schritt überlegen ob er auch selbst bereit ist, gewisse Maßnahmen umzusetzen. Habe ich schon einmal darüber nachgedacht ob ich auch selbst tun oder unterlassen würde, was in meiner Patientenverfügung steht? Auch hier könnte ich mir wiederum die Frage stellen: Welches meiner Medikamente würde ich weglassen, um die Entwicklung meiner Situation der Natur zu überlassen und dadurch vielleicht früher sterben zu können? Oder ich frage mich: soll ich mich operieren lassen? oder will ich einer Chemotherapie zustimmen? Solche Fragen darf niemand anderer für mich entscheiden, solange ich selbst dazu in der Lage bin.

Ich sollte zu bestimmten Maßnahmen (Untersuchungen, Therapien, und zu den Medikamenten die ich ständig nehme) eine präzise Meinung und einen gefestigten Willen haben, wenn ich gegenüber dem paternalistischen Verhalten eines Arztes standhaft bleiben will.

darüber sprechen

Und schließlich empfehle ich das jährliche Erneuern seiner Patientenverfügung zum Anlass zu nehmen, Wünsche und Vorstellungen zum eigenen Lebensende seinen (vorsor­gebevollmächtigten) Angehörigen zu erklären, denn diese werden einerseits dann umzusetzen haben was in der Patientenverfügung „gemeint“ war und andererseits kann es ja um Maßnahmen gehen, die der Betroffene zu unterlassen wünscht, damit er gar nicht erst auf die Schiene der „Medizinmaschinerie“ gesetzt wird. Zumindest meine nächsten Angehörigen sollen von mir gehört haben, was mir am Ende meines Lebens wichtig ist.

Prozesse über lange Zeiträume

Willensbildung, Entscheidungsfindung und Stärkung des Willens, ob und wann man eine bestimmte Maßnahme zulässt oder ablehnt, das sind Prozesse die man nicht aufschieben soll, weil sie oft über lange Zeiträume gehen. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich das „Gefühl“ einen ärztlichen Rat ablehnen zu wollen, fast nie an einem einzigen Grund festmachen lässt. Manchmal wiegt auch der eine Grund schwerer und dann wieder ein anderer.

Zur Begleitung dieser Prozesse wurde PFLEGEFALLTOOL entwickelt. Sowohl bevor man eine Patientenver­fügung errichtet, aber auch jedes Mal wenn man seine Patientenverfügung überprüft, erneuert oder für Pflegebedürftigkeit im Alter erweitert, ist diese Anwendung ein einmaliger Wegweiser.

Unterstützung bekommen, und trotzdem anonym bleiben können

Bürger brauchen vor dem Errichten aber auch für das Überprüfen und Erneuern ihrer Patientenverfügung Unterstützung. Gefragt ist ein TOOL, das für jede in Frage stehende Maßnahme und für jede vom User definierte Situation ein automatisiert berechnetes, personalisiertes und eindeutiges Ergebnis liefert, das er mit seinem Gefühl ver­gleichen kann. Es bestärkt einen, wenn man nicht nur instinktiv entscheiden muss, sondern einem einerseits bewusst wird, warum man so und nicht anders entscheidet und wenn man sein bloßes Gefühl auch bestätigt bekommt.

Sie bekommen hier Gelegenheit eine solche, webbasierte Anwendung kostenlos auszuprobieren. Um deren Akzeptanz zu testen, habe ich für einige Zeit das von mir entwickelte PFLEGEFALLTOOL zur kostenfreien Benützung freigeschaltet. Sie müssen sich nur mit Ihrer Email-Adresse registrieren und als Code „FACULTAS“ eingeben. Das anschließende Personalisieren der Abfrage ist aus rechtlichen Gründen (Patientenverfügung) notwendig.

Es ist nie zu früh sich ernsthaft mit dem Thema Patientenverfügung zu beschäftigen, aber leider oft zu spät. Wenn Sie eine Patientenverfügung nur hinterlegt haben, dann haben Sie Ihr Selbstbestimmungsrecht damit wahrscheinlich weggelegt.

 

[1] www.meinePatientenverfügung.de, www.dipat.de

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