Pflegegeld – klagen oder nicht?

Kann eine Klage Erfolg haben?

Um die Erfolgschancen einer Klage gegen einen abschlägigen Bescheid einzuschätzen ist primär das Einstufungsgutachten zu beurteilen, welches im Auftrag des Entscheidungsträgers erstellt wurde. Es wird nicht automatisch mit dem Bescheid zugestellt, sondern es muss angefordert werden. Das Gutachten ist zu analysieren, auf Vollständigkeit (was die Befundaufnahme betrifft) und auf Schlüssigkeit (was Gutachten und Kalkül anlangt) zu prüfen. Eventuell kann bei bestimmten Funktionsstörungen oder Diagnosen auch die Fachkompetenz des Gutachters überschritten worden sein. Nur wenn offenkundige Fehler feststellbar sind, hat die Klage Chancen auf Erfolg.

Klage einbringen

Es genügt, gemeinsam mit der Klage den angefochtenen Bescheid in Kopie vorzulegen, um ersichtlich zu machen, wer die klagende Partei und was Verfahrensgegenstand ist. Trotzdem ist es von Vorteil, die im Erstgutachten festgestellten Fehler in die Klagsschrift einzuarbeiten, um dieselben Fehler im neuen Verfahren nicht zu wiederholen.

Ist der Anspruch auf das Pflegegeld auf einen öffentlichen Kostenträger übergegangen, darf auch dieser die Klage gegen einen Einstufungsbescheid einbringen. (Das Heim darf den Bescheid anfechten.) Die Klage ist beim Arbeits- und Sozialgericht einzubringen. Jedoch kann die Klage auch beim SV-Träger eingebracht werden, der den Bescheid ausgestellt hat. Der SV-Träger ist verpflichtet die Klage samt Klagebeantwortung innerhalb von 14 Tagen an das Gericht weiterzuleiten.

Verfahren vor dem Sozialgericht

Das Gericht überprüft nicht die Entscheidung des SV-Trägers, sondern es führt ein eigenes Verfahren durch. Es beauftragt immer einen unabhängigen Sachverständigen. Umso wichtiger ist es darauf zu achten, dass der Gerichtssachverständige bei seiner Befundaufnahme alle Informationen bekommt, die dann für die richterliche Entscheidung notwendig sind. Auch deshalb ist es günstig, dass der Gerichtsgutachter bereits aus der Klage ersehen kann, welche Mängel des (im Auftrag des SV-Trägers erstellten) Erstgutachtens der Kläger bereits identifiziert hat.

Die Beantwortung von medizinischen Fachfragen ist die Aufgabe von medizinischen Sachverständigen und nicht von Parteien oder Zeugen. Deshalb kommt es in Pflegegeldverfahren auch nur in Ausnahmefällen zur Einvernahme der klagenden Partei. Die Feststellung der Pflegestufe ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu lösen ist.

In weiterer Folge sind auch die Gutachten der Gerichtssachverständigen auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen. Wiederholen sich auch im Gerichtsgutachten Fehler, wie sie im Erstgutachten gemacht wurden, ist darauf zu achten rechtzeitig einen schriftlichen Erörterungsantrag zu stellen, sodass die klagende Partei dem Gutachter im Rahmen der Gutachtenserörterung entsprechende Fragen stellen wird.

Die Chancen eine Klage zu gewinnen betragen annähernd 100 %, sofern die Klage zu Recht eingebracht wurde. Denn die rechtliche Entscheidung stützt sich immer auf ein eindeutiges ärztliches Gutachten nach dem Bundespflegegeldgesetz. Ob die Klage zu Recht eingebracht wird, lässt sich schon im Vorfeld mit Sicherheit feststellen.

Im Jahr 2017 hat die PV 55.827 (d. s. 33 %) Erst- und Erhöhungsanträge abgelehnt. (Quelle: PV)

Geklagt haben 8.345  d.s. 25 % der im Jahresbericht (S  34, S 192) der PV ausgewiesenen Ablehnungen.