Patientenverfügung vereinfachen

Nachdem die Novelle des Patientenverfügungsgesetzes im Konsens zwischen Gesundheits- und Justizministerium angeblich schon zweimal beschlussfähig war, aber das erste Mal wegen der Bundespräsidentenwahl verschoben wurde und das zweite Mal wegen der Nationalratswahl nicht beschlossen wurde, versucht es nun die neue Frau Ministerin Mag. Beate Hartinger-Klein mit einem neuen Anlauf.

Welche Ziele sollen mit der Novelle erreicht werden?

Mehr Bürger als bisher sollen eine Patientenverfügung errichten,

1) um sich aktiv mit ihrem Lebensende auseinanderzusetzen?

2) um daran zu erinnern, dass es neben dem plötzlichen Lebensende auch „Siechtum“ im Alter geben kann?

3) um ihre Pflicht zur Eigenverantwortung zu erkennen?

4) um ihr Recht auf Selbstbestimmung (auch am Lebensende) wahrzunehmen?

5) um kostspielige Behandlungen am Lebensende abzulehnen?

6) um die Dauer von Pflegebedürftigkeit im Alter abzukürzen?

7) um andere aus der moralischen Verantwortung zu entlassen, wenn sie für oder über den Betroffenen[1]entscheiden müssen?

8) um Angehörigen mehr Möglichkeiten zu geben Spitäler und/oder Ärzte zu klagen?

Mehr Rechtssicherheit für Ärzte,

9) wenn sie dem Willen des Patienten entsprechen?

10) wenn sie kostspielige, lebenserhaltende Maßnahmen unterlassen?

11) wenn sie kostspielige lebenserhaltende Maßnahmen einsetzen, weil es keine rechtssichere Patientenverfügung gibt?

Zusatzeinkommen

12) für Ärzte die beraten und die Einsichts-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit attestieren?

13) für Rechtsanwälte/Notare, die eine Patientenverfügung errichten?

14)  für Rechtsanwälte die dann klagen (vgl. https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-xii-zb-6116-patientenverfuegung-anforderungen-lebensverlaegernde-massnahmen-bestimmtheit/und https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-1u454-17-schadensersatz-fuer-lebenserhaltung-arzt/)?

nur weniger als 5 % der Österreicher haben eine Patientenverfügung

Der Hauptgrund, weshalb die österreichische Bevölkerung die Patientenverfügung so gut wie nicht annimmt, ist sicherlich folgender. Das Deutsche Gesetz kennt nur „die Patientenverfügung“, während das österreichische Gesetz zwischen „verbindlicher“ und „beachtlicher“ Patientenverfügung unterscheidet. Dem Bürger ist der bürokratische und finanzielle Aufwand der „verbind­lichen“ Patientenverfügung unverständlich und zu hoch dafür, dass es keine Gewissheit gibt, ob sein Wille überhaupt umgesetzt werden wird.

Änderungen zur Diskussion (1. bis 5.):

  1. Beachtliche Patientenverfügung

Patientenanwalt Dr. Bachinger möchte die beachtliche Patientenverfügung zur Gänze eliminieren. Gäbe es dann nur mehr „die Patientenverfügung“? Und wenn diese nicht nach den heute geltenden Vorschriften für eine verbindliche Patientenverfügung errichtet wurde, wäre der Patientenwille von Gesetzes wegen dann nicht einmal mehr zu beachten? Fr. Min. Hartinger-Klein möchte die beachtliche Patientenverfügung beibehalten. Vielleicht erfolgt dann das vorgesehene Umbenennen der „beachtlichen“ in „sonstige“ Patientenverfügung.

  1. Erneuern der verbindlichen Patientenverfügung

Frist von 5 auf 8 Jahre ausdehnen. Procedere: automatisch (ohne Notar); es bleibt dann nur noch das ärztliche Beratungsgespräch und die Bestätigung der Urteils-, Einsichts- und Entscheidungs­fähigkeit?

  1. Einheitliches Register

Für den Eintrag oder die Hinterlegung einer Patientenverfügung soll es nur mehr ein zentrales Register geben. Bislang führen in Österreich Notariatskammer und Rechtsanwaltskammer eigene Register.

  1. Eintrag in ELGA

Der Eintrag in ELGA signalisiert dem Verfügenden, dass er sich in Zukunft mit diesem Thema nicht mehr beschäftigen müsse, was kontraproduktiv ist. Wird der Verfügende einen Widerruf seiner Patientenverfügung selbstständig in ELGA durchführen können? Mit dem Eintrag in ELGA ist ein weiterer Wunsch der Patientenanwaltschaft verbunden:

  1. Nachschaupflicht für Ärzte.

Intensivmediziner sollen demnach künftig, nach einem Dokument zu suchen und es dann einer rechtlichen Beurteilung unterziehen müssen, bevor sie ihre Arbeit am Patient beginnen. Es wäre wichtiger dem Bürger zu signalisieren, dass für seine Gesundheit und für sein Leben – neben dem Schicksal – nur er selbst verantwortlich ist und nicht ein Arzt oder der Staat.

Auch weil es eine rechtssichere Patientenverfügung gar nicht gibt, kann und darf es nicht Aufgabe von Ärzten sein zu beurteilen ob eine rechtswirksame und/oder eine rechtssichere Patientenverfügung vorliegt. Möchte jemand sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen, dann ist es die Pflicht jedes Einzelnen dafür zu sorgen, dass sein Wille eindeutig dokumentiert ist und kommuniziert werden kann, wenn er selbst nicht mehr dazu im Stande sein wird. Wer intensivmedizinische Behandlungen per Patientenverfügung ablehnt, der sollte besser dafür Sorge tragen, dass er nicht in eine Intensivstation eingeliefert wird, wenn der Sterbeprozess bereits begonnen hat. Soll der Intensivmediziner in der Notfallsituation wirklich zuerst herausfinden müssen was der Patient wollte und was nicht, bevor er sich an die Arbeit macht für die er ausgebildet ist, für die er verantwortlich ist und wegen der er vor Ort ist. Letztlich soll mE Intensivmedizinern auch nicht aufgebürdet werden, sich im Nachhinein vor dem Strafrichter bzw. vor dem Zivilrichter verantworten zu müssen, für den Fall, dass ein Angehöriger auf die Idee kommen wird, den Willen des Verstorbenen anders interpretieren zu können als es der Intensivmediziner getan hat.

Für mich ist nicht erkennbar mit welcher dieser 5 zur Diskussion stehenden Änderungen welches der 14 oben genannten Ziele erreicht werden kann. Auch ist mir unverständlich was mit „den Patienten mehr Spielraum lassen“ gemeint ist. Eigene Vorschläge für die Novellierung des Patien­tenverfügungsgesetzes beschreibe ich im Blogbeitrag „Novelle des Patientenverfügungsgesetzes“.

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