geriatrischer Patient spricht über eigene Gesundheit

Alternativ könnte die Überschrift für diesen Artikel auch lauten: Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit und Suche nach „Wehwehchen“.

Geriatrische Patienten, die tatsächlich unter Krankheiten leiden, machen diese nur selten zu ihrem „Lebensinhalt“ und sie erheben Gesundheit, Krankheit, Schmerz oder Medizin im Allgemeinen auch nicht zum zentralen Gesprächsthema. Diese geriatrischen Patienten gehen mit ihren Beschwerden zum Arzt oder sie leben den Standpunkt „ich bin halt schon alt, da gehören Schmerzen ja dazu; da kann man nichts machen“ und sie leiden still und leise vor sich hin. Deshalb sollte man bei diesen Patienten „zwischen den Zeilen lesen“. Man darf nicht alles auf das Alter schieben, denn vieles lässt sich auch im Alter (noch) behandeln.

Wenn geriatrische Patienten „medizinische Probleme“ oder ihre „Wehwehchen“ vor der Familie ausbreiten oder vor Laien zur Diskussion stellen, dann steht meist nicht ihr zu ertragendes Leid im Vordergrund und sie erwarten (von den Diskussionsteilnehmern) auch keine Lösung für die von ihnen aufgeworfenen Probleme. Viel­mehr wollen sie sich damit Würde und Anerkennung verschaffen, sie wollen sich eventuell über gewisse Krankheiten oder Symptome informieren, oder sie möchten auch „nur“ Mitleid wecken, in dem sie ihr Alter sowie das damit gerechtfertigte „Kränkeln“ in den Mittelpunkt drängen.

Ein Geriater erfährt durch speziell gelenkte Gespräche relativ rasch, was den alten Mensch wirklich beschäftigt oder bedrückt, bzw. unter welchen Beschwerden er tatsächlich leidet. Es versteht sich von selbst, dass (auch) im Alter auftretende Krankheiten nach neuestem Stand der Medizin behandelt werden.

Tipp: Um alte Menschen zu verstehen achte man eher auf nicht Gesagtes bzw. nicht Ausgesprochenes.

vergesslich oder verwirrt

Viele Angehörige kennen vielleicht den Unterschied zwischen vergesslich und verwirrt, sie unterscheiden aber nicht präzise genug, wenn sie dem Arzt über den geistigen Zustand des Patienten berichten.

Vergesslich bedeutet, Dinge oder Ereignisse zu vergessen. Dabei macht es einen Unterschied ob jemand eine Telefonnummer nicht kennt, oder vergisst wo er die Schlüssel hingelegt hat. Beide Beispiele sind wahrlich nicht als krankhaft einzustufen. Das „passiert auch ganz Gesunden“.

Von harmloser Vergesslichkeit sind merkliche Gedächtnisstörungen abzugrenzen, die (im allgemeinen zuerst) das Kurzzeitgedächtnis und (später auch) das Langzeitgedächtnis betreffen. Für die grobe Klassifizierung genügt die Unterscheidung in Ereignisse, die vor relativ kurzer Zeit (Tage bis Stunden) geschehen sind und solche die sich vor langer Zeit (vor Jahren, Arbeitswelt, Kindheit etc.) zugetragen haben.

Verwirrt bedeutet, örtlich, zeitlich, situativ und/oder zur Person nicht mehr orientiert zu sein.

Örtlich desorientiert ist, wer nicht weiß wo er sich befindet. Damit ist nicht gemeint, ob er weiß in welchem Spital er ist, sondern er weiß nicht ob er bei sich zuhause, im Spital, bei den Kindern, im Elternhaus (bei den längst verstorbenen Eltern) etc. ist.

Zeitlich desorientiert ist jemand, der den Bezug zu Tageszeiten, Jahreszeiten und zu Jahren verloren hat. Wenn jemand bei seinem eintönigen Tagesablauf nicht weiß ob heute Dienstag oder Mittwoch ist, oder wenn er das genaue Datum nicht angeben kann, bedeutet das noch nicht, dass er zeitlich desorientiert wäre.

Situativ desorientiert ist, wer seine Situation nicht richtig einschätzen kann. Besteht ein bettlägeriger Pflegefall darauf oder glaubt er ernsthaft (wieder) wandern zu gehen, dann ist anzunehmen, dass er situativ nicht mehr orientiert ist.

Zur Person ist jemand nicht mehr orientiert, wenn er nicht mehr weiß wer er ist, bzw. wenn er (bei gutem Gehör) nicht darauf reagiert sofern man ihn mit seinem Namen anspricht.

Neben Vergesslichkeit und Verwirrtheit können aber z. B. anfangs kaum wahrzunehmende, aber langsam und stetig fortschreitende geistige Veränderungen, zur totalen Wesensänderung einer Person führen, so dass Angehörige eines Tages kaum glauben können, dass der Vater heute ein und dieselbe Person ist, die er vor vielen Jahren war.

Tipp: Lassen Sie Veränderungen bei einem älteren Mensch lieber einmal „zuviel“ von einem Arzt beurteilen,

und versuchen Sie dabei präzise Angaben zu machen, ohne aber Fachvokabular zu verwenden. (vgl. Zustandsbilder, keine Diagnosen)

älterwerden

Älterwerden ist ein Ablauf, der mit der Geburt eines Menschen beginnt. Eltern warten sehnsüchtig darauf, dass die „Jungen“ älter werden und schließlich auf eigenen Beinen stehen. Kinder und auch noch Jugendliche warten ungeduldig darauf älter zu werden, um endlich tun zu dürfen, was erst ab einem bestimmten Alter erlaubt ist.

Nach Erreichen des Wahlalters und mit Erlangen des Führerscheins ist älterwerden für junge Menschen im allgemeinen kaum ein Thema mehr. Mit 25 bis 30 Jahren erreichen Menschen geistige und körperliche maximale Leistungsfähigkeit. Danach folgt stetiger Abbau. Man vergisst, dass man älter wird.

Bis zu dem Zeitpunkt, da das Älterwerden beim Individuum körperliche Veränderungen verursacht, die einem auffallen. Derartige Veränderungen können unterschiedlich sein. Gewichtszunahme, faltige Haut, Änderung des Schlafbedürfnisses, Abnahme der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, der Ausdauer und der Belastbarkeit, aber auch merkbar gewordende Organschwächen, dass man z. B. eine Lesebrille braucht.

Ab jetzt ist das Älterwerden nicht mehr bloß ein unbeachteter Ablauf. Solche Geschehen markieren den Beginn der Phase des Älterwerdens, wo jede Änderung registriert wird, weil sie auch gleichzeitig an Altern erinnert.

Es gilt leider stillschweigend übereingekommen, dass Älterwerden und Altsein gleichzusetzen wäre mit Krankheit, Demenz, Schmerz, Einsamkeit, Gebrechlichkeit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit oder Abhängigkeit von anderen Menschen. All diese Assoziationen sind unrichtig, weil sie (leider) jeden Menschen treffen können. Das hat nicht unbedingt mit Altern zu tun.

Älterwerden hat aber wahrlich nicht nur negative Aspekte – wie allgemein festgestellt wird. Älterwerden ist mit Bereicherung verbunden. Man ist weiser geworden, hat mehr Erfahrung auf die man zurückgreifen kann, man hat schon viele schöne Dinge erlebt.

Man kann und soll sich positive Ziele setzen. („Ich möchte mit 80 noch am täglichen Geschehen teilnehmen, oder ich möchte meinen 85 Geburtstag bei möglichst guter Gesundheit erleben, deshalb achte ich auf … mache Bewegung …“ etc.) Im Alter weiß man einerseits schon worauf es wirklich ankommt und hat andererseits auch ausreichend Zeit und meist auch die finanziellen Ressourcen, um die gesteckten Ziele konsequent zu verfolgen.

Es gibt Untersuchungen wonach Menschen zwischen 58 und 77 Jahren am glücklichsten sind!

Tipp:
vgl. meinen Artikel Zufriedenheit im Alter

Wissen aus dem Internet zum Arzt bringen

Durch im Internet erlangtes medizinisches Wissen, das ein Patient „in die Arztordination mitbringt“, führt der Patient – in einem Ausmaß, das für ihn vielleicht gar nicht abschätzbar ist – den Arzt gedanklich zu einer Fülle von Details, die dem Patient nicht auffallen. Jetzt aber, da diese Details „hervordiskutiert“ wurden, öffnen sie dem Arzt Optionen auch für ganz seltene Diagnosen. Das nimmt dem Arzt Sicherheit, und er beginnt unbewusst an seiner ersten, richtigen Diagnose oder Therapie zu zweifeln.

Ich möchte das an einem Beispiel erläutern: jemand kommt z.B. mit der Beschwerde Kopfschmerz in die Ordination; in den meisten Fällen ist es nicht notwendig und nicht üblich deshalb eine CT oder eine MRT zu machen, um einen Kopftumor auszuschließen. Hat sich der Patient aber zuvor über Astrozytome, Gliome und sonstige Kopftumore im Internet „eingelesen“ und hält dem Arzt daraus das eine oder andere Symptom (in Verbindung mit dem Gelesenen) hin, damit der Arzt die Diagnose „Tumor“ ausschließt, entkräftet oder „nicht übersieht“, dann wird vielleicht verständlich, warum sich der Arzt nicht mehr auf seine – meist richtige – Intuition und seine Erfahrung verlassen möchte. Solch ein in den Raum ge­stelltes Detailsymptom könnte nämlich bedeuten, dass … . Weil der Patient dem Arzt nicht seine Hauptbeschwerde(n) schildert, sondern das Internet ihn auf die „Idee“ gebracht hat, was auch noch zu bedenken wäre, wird der Patient jetzt sicher nicht mit dem erwarteten kompetenten und eindeutigen Rat zur Lösung seines medizinischen Problems nach Hause gehen. Das liegt einfach schon in der Tatsache, dass der Arzt nun eine Reihe von Untersuchungen machen lässt (auf deren Ergebnis gewartet wird), um vom Patient ange­sprochene, „verdächtige“ Symptome abzuklären.

Das also kann geschehen, wenn ein Patient den Arzt durch ungefilterte medizinische Infos aus dem Internet aus seiner Routine holt. Das „passiert“ nicht unsicheren, sondern vielmehr gewissenhaften Ärzten mit großem Wissen. Denn nur diese Ärzte wissen auch, welche Möglichkeiten sie ausschließen müssen.

Sich seiner Diagnose oder Behandlung wegen beachten von „unnötigen“ Details nicht mehr sicher zu sein, das erfährt jeder Arzt der eines seiner Familienmitglieder behandelt. Wegen der Befürchtung nur ja nichts zu übersehen, verlässt er sich nicht mehr auf sein Können und seine Erfahrung, sondern ist damit beschäftigt, sich an alles jemals Gelernte zu erinnern. (Deshalb legt man Behandlung von Familienangehörigen oder seine eigene Behandlung besser in die Hände von Kollegen.)

Bei Behandlung eines Familienmitgliedes kommt noch hinzu, dass zwischen Arzt und Patient auch der nötige Abstand fehlt. Jedem Patient sollte klar sein, dass er durch bewusste oder unbewusste Reduktion des für ärztliche Behandlung notwendigen „Respektabstandes“ gewisse Abstriche von der Effektivität der Behandlung bewirkt und diese in Kauf zu nehmen hat. Es liegt also an der Feinfühlig­keit eines Patienten, notwendige Grenzen bestehen zu lassen, wenn man von seinem Arzt die Behandlung eines Fachmannes wünscht. Sucht man den Arzt aber auf, dass er einem bestätigt, richtige Infos aus dem Internet zusammengetragen zu haben (vgl. „social Media und Internet, eine neue Dialogform?“), so ist das zwar auch in Ordnung, aber dann hatte der Arztbesuch wohl nicht den Grund eine Diagnose und Therapie seiner Beschwerde(n) zu bekommen und wieder beruhigt nach Hause gehen zu können.

Vorsorge in der Geriatrie

Natürlich braucht man in der Geriatrie keine „Vorsorge“ mehr zu treffen, um nicht relativ jung an einer Krankheit oder an einem Unfall zu sterben. Man kann andererseits aber auch nicht vorsorgen, um im fortgeschrittenen Alter sicher nicht zu erkranken. Dennoch kommt der Vorsorgemedizin auch in der Geriatrie ein hoher Stellenwert zu.

Spätschäden von bestimmten Krankheiten (Diabetes, hoher Blutdruck etc.) vorbeugen

Wer schon in jüngeren Jahren eine Krankheit erworben hat, wird auch jetzt noch darauf achten, die für solche Krankheiten charakteristischen Spätschäden einzudämmen. Das kann auch der Geriatrische Patient z. B. durch köprerliche und geistige Aktivität, durch Ausschalten weiterschädigender Substanzen, durch bessere Ernährung etc.

Krankheiten entdecken

Auch für den geriatrischen Patient gilt, Parameter zu einem Zeitpunkt entlarven, zu dem sie noch keine Beschwerden machen, aber bereits behandlungsbedürftig und einer Behandlung zugänglich sind. Nur weil jemand schon älter (geworden) ist, heißt das nicht, dass alles egal ist.

altersbedingte Veränderungen beobachten

Nicht nur altersbedingt physiologische, primär harmlose Veränderungen sollte man ärztlich begleiten, auch sonstige Veränderungen sollte man dem Arzt zeigen, um nicht zu übersehen, wenn sich daraus eine gefährliche Krankheit entwickelt (zum Beispiel: dass bei bekannter, gutartiger Vergrößerung der Prostata, ein hinzukommendes Prostatakarzinom nicht übersehen wird).

impfen

Dass gerade im Altenmedizinischen Bereich Vorsorgemaßnahmen wie Impfungen von Bedeutung sind, wird verständlich, wenn man weiß, dass das Immunsystem (welches für die Abwehr von Krankheiten zuständig ist) im Alter schwächer wird. Also bietet man dem alten Körper abgeschwächte Krankheitserreger an, auf die er mit einer Immunantwort reagiert und so die Fähigkeit hat, mit später eindringenden, „voll krankheitserregenden“ Keimen fertig zu werden.

Tipp: Ich sehe es nicht für notwendig, Hochbetagte einzuschränken, ihren Lebensgenuss zugunsten der Vorsorge vor Spätschäden zu schmälern oder gar zu opfern. Auch sollte man ihnen wegen „ungesunder Lebensführung“ kein schlechtes Gewissen machen. Nach meinem Dafürhalten darf der 90jährige rauchen, Alkohol konsumieren und wenn es ihm schmeckt, darf er auch als Diabetiker „sündigen“ oder fettes Fleisch konsumieren.