Spital – “das Beste” ?

Das Spital ist die teuerste Möglichkeit geriatrische Patienten zu versorgen, auch wenn dafür weder der Patient noch ein Angehöriger (direkt) bezahlen muss. Diese für Angehörige vordergründig „billige“ Variante wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass für den alten Menschen „nur das Beste“ gemacht werden soll bzw. modernste Medizin zur Anwendung kommen soll.

Es ist aber nicht unbedingt richtig, dass die dort vorhandene Intensivmedizin das Beste für Patienten sei. High-Tech-Medizin sollte bei geriatrischen Patienten nur in ausgewählten Fällen eingesetzt werden.

Oft müssen alte Menschen unnötiges Leid über sich ergehen lassen, weil „das Beste“ nicht aus Sicht der Betroffenen beurteilt wird (vgl. Patientenverfügung). Nicht aus Sicht derer, die keine Kraft mehr haben, weil ihre Körper schon zu sehr gealtert sind.

Die Frage nach „dem Besten“ wird meist aus Sicht jener beantwortet, denen die Gesellschaft quasi die Verantwortung für die Alten auferlegt hat. Verwandte oder Bekannte beurteilen aus ihrer Sicht, was für den alten Mensch „das Beste“ sei. Sie müssen ihrem eigenen Gewissen Rechenschaft geben und wollen in der Gesellschaft, bei Bekannten und Freunden nicht „schlecht dastehen“. Also schieben Angehörige die Entscheidung darüber, was mit dem alten Mensch geschen soll, den vermeintlichen Fachleuten, den Ärzten zu. Ärzte wiederum möchten sich nicht vorwerfen lassen, dies oder jenes „versäumt“ oder dem alten Menschen „vorenthalten“ zu haben. Sie weisen Patienten ins Spital ein. Dort werden viele Befunde erhoben, um Diagnosen zu bestätigen und eventuell auch auszuschließen. Das geschieht aber nur zum Vorteil der behandelnden Ärzte, nämlich keine Verantwortung tragen zu müssen und rechtlich nicht belangt werden zu können.

Auch müssen Patienten wieder belastende Untersuchungen über sich ergehen lassen, wenn der Verbleib eines Patienten im Spital aus medizinischer Sicht eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen ist. Untersuchungen, die im Akutspital als „Alibi“ (gegenüber der Krankenkasse) gemacht werden, bleiben meist ohne medizinische Konsequenz. D. h. selbst wenn das Ergebnis einer Untersuchung z. B. die Indikation für eine chirurgische Intervention darstellen könnte (man hat z. B. Steine in der Gallenblase gefunden), so muss die Operation spätestens dann abgesagt werden, wenn der eventuelle Zuwachs an Lebensqualität dem möglichen Operationsrisiko gegenüber gestellt wird. Das sollte jedem Angehörigen klar sein, auch – oder ganz besonders – wenn er sich an Ärzte mit dem Ersuchen wendet den alten Mensch aus sozialer Indikation ins Spital aufzunehmen oder noch länger im Spital zu behalten, um Pflegende damit vorübergehend zu entlasten.

Untersuchungen zur Verminderung der ärztlichen Verantwortung oder zur Rechtfertigung (gegenüber Sozialversicherer) belasten nicht nur den Patient, sondern auch das Gesundheitsbudget mit unnötigen, aber nicht unerheblichen Kosten. Sie verursachen dem Patienten entweder „nur“ zusätzliche Schmerzen, oder sie schaden dem Patient sogar, wenn im Spital Komplikationen hinzukommen. Eine Komplikation kann auch darin bestehen, dass der schwache, geriatrische Patient eine Lungenentzündung bekommt, weil er für eine simple Röntgenaufnahme auf dem kalten Röntgentisch liegen musste. Im Rahmen von Spitalsaufenthalten können den in seiner Widerstandskraft geschwächten alten Menschen auch Keime treffen, sodass der Spitalsaufenthalt anstatt zur Verbesserung, zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes von geriatrischen Patienten führt.

Tipp: Fragen Sie den Patient und sich selbst was für den Patient „das Beste“ ist. Beraten Sie sich mit einem „in der Praxis tätigen Geriater“.

sporadische Visite beim geriatrischen Patient

Unlängst erhielt ich den Anruf einer Dame, worin sie mir mitteilte „Hilfe“ für ihre 93jährige Mutter zu brauchen. Als ich fragte, was Sie unter „Hilfe“ versteht, erzählte sie mir, dass sie in letzter Zeit – immer wenn sich der Gesundheitszustand der Mutter verschlechterte – Hr. Prof. XY anrief, der sie darauf hin zu sich ins Spital aufgenommen hat. Jetzt aber möchte die Mutter nicht mehr ins Spital gebracht werden. Sie hat von ‚geriatrie-daheim’ im Internet gelesen und möchte nun, dass ich der Mutter halt ein bisschen gut zurede, dass sie die Medikamente nehme. Ich gehe davon aus, dass Patienten wie Angehörige wissen, was praktische Geriatrie bedeutet.

Wird ein Arzt zu einem geriatrischen, multimorbiden Patient um Hilfe gerufen, dann handelt es sich entweder um eine neu aufgetretene gesundheitliche Veränderung, oder die für die Gesundheit des Patienten Verantwortlichen haben so lange zugewartet, bis ihnen der Gesundheitszustand des Patienten schon bedenklich vorkommt. Zu glauben, dass „Händchenhalten“ oder „Zureden“ hilft, weil es ein Arzt (Geriater) macht – das ist eine falsche Vorstellung.

Jedem fremden Arzt (Rettung, Ärztenotdienst, Urlaubsvertreter etc.) bleibt bei einer akuten Erkrankung des chronisch Kranken keine andere Wahl, als den Patient ins Spital einzuweisen, wo apparative Diagnostik ebenso erfolgen kann, wie man (unter medizinischer Beobachtung) zuwarten kann. Die Entwicklung des Zustandes des Patienten wird mit einleitender milder Therapie begleitet. Im Spital ist man auch für eventuell auftretende Komplikationen gerüstet. Der fremde Arzt kennt ja weder den Patient, noch die Angehörigen. Er weiß nicht, wie lange dieser Zustand schon besteht. Er weiß auch nicht, wie er die Schilderung der Beschwerden einstufen soll – werden Beschwerden übertrieben dargestellt, oder werden Symptome bewusst heruntergespielt, möchte der Patient eigentlich nur Zuwendung u.v.m. Wenn ein Arzt also nicht Gefahr laufen möchte, wegen „Unterlassen“ belangt zu werden, muss er den alten Mensch ins Spital einweisen.

Beim Patient zuhause kann sich der Arzt nur auf seine Sinne, sein Können und seine Erfahrung verlassen, er hat meist ja nicht einmal ein EKG zur Verfügung. Wenn der Arzt aber seinen geriatrischen Patient kontinuierlich gesehen hat und er dadurch Vergleichsmöglichkeiten für die aktuelle Situation hat, kann er eine Behandlung zuhause verantworten.

Tipp: Wer als geriatrischer Patient zuhause behandelt werden möchte, sollte sich einen Geriater suchen, solange noch keine Akutsituation eingetreten ist. Damit der Geriater medizinische Verantwortung übernehmen kann, ist Voraussetzung, dass er den geriatrischen Patient und dessen Gesundheitszustand gut kennt.

Patientenverfügung – wozu?

Die Patientenverfügung verfolgt zwei Ziele: Zum einen ermöglicht sie es jedem selbst zu bestimmen wie lange und wie viel Leid er am Ende seines Lebens ertragen möchte. (Heute sind Pflegefälle durchschnittlich 8 bis 9 Jahre lang auf Hilfe angewiesen.) Zum anderen entlastet man seine Angehörigen durch eine Patientenverfügung, weil es dann nicht sie sind, die höchstpersönliche Entscheidungen treffen müssen.

Mit einer Patientenverfügung wird z.B. verlangt in bestimmten gesundheitlichen Situationen (z. B. zum Tod führende Krankheit oder Bewusstlosigkeit infolge Unfall) auf künstliche lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, aber alle Möglichkeiten der Schmerzlinderung zu nutzen. Sobald eine Patientenverfügung vorliegt, müssen Ärzte respektieren welche Behandlung der Patient wünscht („nur“ schmerz- und angstfrei zu sein oder Intensivmedizin um jeden Preis).

Wer eine Patientenverfügung errichten will, sollte sich vorab mit (s)einem Arzt beraten, der diesbezüglich Erfahrung hat. Das PatientenVerfügungs-Gesetz (PatVG), schreibt eine dokumentierte, umfassende ärztliche Aufklärung vor. Es müssen alle abgelehnten Behandlungen konkret beschrieben sein und der Arzt muss Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten attestieren.

Eine Patientenverfügung gilt immer nur für 5 Jahre, und der Patient kann sie jederzeit widerrufen.

Über rechtliche Details informieren Rechtsanwalt, Notar oder Mitarbeiter der Patientenvertretung (Patientenanwalt), wo die Patientenverfügung auch errichtet und ins Patientenverfügungsregister eingetragen werden kann. Die Rechtsanwaltskammer bietet im Rahmen „check Dein Recht“ ein spezifisches Beratungspaket zum Pauschale von € 120,– (inkl. Ust.).

Die Patientenverfügung ist kein Testament, sondern eine Willenserklärung, die zu Lebzeiten wirksam wird u.zw. sobald die darin beschriebene (gesund-heitliche) Situation eintritt.

Tipp: In der Natur jedes Menschen liegt es, gesund bleiben zu wollen, im Krankheitsfall wieder zu genesen und überhaupt am Leben bleiben zu wollen. Dennoch sollten nicht andere entscheiden (müssen), wie mit einem selbst am Lebensende umgegangen wird.

Sterbehilfe – Sterbebegleitung

aktive Sterbehilfe

Handeln oder Unterlassen welches mit Sicherheit zum Tod führt. Für all jene, denen eine kurze, prägnante und anschauliche Definition lieber ist: aktive Sterbehilfe ist gleichzusetzen mit töten.

passive Sterbehilfe

Handeln oder Unterlassen welches es einer dritten Person (z. B. auch dem Patienten selbst) ermöglicht, zu töten. Passive Sterbehilfe ist gleichzusetzen mit Beihilfe zum Töten.

Zunächst sei festgestellt, dass die folgenden Ausführungen kein Beitrag zur Diskussion über Euthanasie sind. Das hier Gesagte bezieht sich auf den Patientenkreis der Hochbetagten bzw. auf unheilbar Kranke es darf aber nicht uneingeschränkt bzw. unreflektiert auf Verunfallte oder auf psychisch Kranke über­nommen werden.

Ich ziehe eine eindeutige Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe einerseits und Sterbebe­gleitung andererseits. Ich lehne sowohl aktive wie auch passive Sterbehilfe absolut ab, und ich hoffe, dass es hierzulande nie Gesetze geben wird, welche zur unmittelbaren oder auch nur zur mittelbaren Tötung legitimieren.

Auch aus ethischen Gründen lehne ich sowohl aktive wie auch passive Sterbehilfe ab. Ein Arzt, der mit sich selbst darüber klar gekommen ist, seine ärztlichen Fähigkeiten einzusetzen, um menschliches Leben zu beenden, der wird aufrichtiger Weise niemals einem Patienten in die Augen sehen können und ihm versichern können, dass sein Handeln stets, ausnahmslos und ausschließlich darauf ausgerichtet ist, Leiden des Patienten zu lindern aber gleichzeitig menschliches Leben zu schützen.

Das Beenden von Schmerz- oder Leidenszuständen durch Tötung, wie dies von manchen befürwortet oder möglicherweise gar praktiziert wird, ist für mich als Arzt indiskutabel, zumal es – gerade heute – Alternativen gibt. Schmerzlinderung oder Schmerzausschaltung ist in der modernen Schmerztherapie sicher keine Frage die mit Tötung verbunden ist, sondern eine Frage der Medikamentenwahl und deren Dosierung. Niemals wird es dabei aber zur Gabe einer Dosis letalis (= Menge einer Substanz, deren Verabreichung den Tod zur Folge hat) kommen.

lebensverlängernde Maßnahmen

Abseits der Diskussionen um Glauben an Leben nach dem Tod, Existenz des Jenseits, Reinkarnation, etc. sei wohl konsensual: Nach jedem Glauben wird die Dauer menschlichen Lebens von Gott bestimmt. Demnach kann es lebensverlängernde Maßnahmen gar nicht geben, weil auch Ärzte auf die Verlänger­ung der Lebensdauer keinen Einfluss nehmen können (dürfen?). Es könnte bestenfalls davon gesprochen werden, den Zeitraum zu verlängern, in welchem sich ein Sterbender befindet, um damit den Zeitpunkt des Eintritts des Todes „etwas“ hinauszuschieben. Könnte ich in diesem Fall das Unterlassen mancher akutmedizinischer Maßnahmen befürworten, so will damit nicht gesagt sein, dass jedwede Unterlassung zu billigen wäre, denn Maßnahmen zur Rettung und Erhaltung menschlichen Lebens müssen von Ärzten (jederzeit) ergriffen werden, insbesondere, wenn ein Sterbender dadurch die Chance erhält auf einem Niveau von Lebensqualität weiterleben zu können, das für den „einst Sterbenden“ akzeptabel ist.

Wenngleich ich passive wie aktive Sterbehilfe ablehne, sollte

Sterbebegleitung

heutzutage nicht fehlen. Die aus medizinischer Sicht anzustre­benden Ziele der Sterbebegleitung sind Schmerz- und Angstfreiheit für Patienten, bei gleichzeitiger Erhaltung des größtmöglichen Maßes an Kommunikation[1].

Ebenso wichtig wie die medizinische (medikamentöse) Begleitung des Patienten, ist aber auch die Umgebung, in welcher sich der Sterbende befindet. Angehörigen sollte es ermöglicht werden, fernab von Hektik und Panik, diese von starken und wichtigen Emotionen begleitete Situation zu durchleben und auszuleben.

Der Sterbende wiederum sollte auch in der schönsten Umge­bung nicht alleine gelassen werden. Deshalb sollte auch jemand zur Stelle sein, wenn diese Aufgabe von Familienangehörigen nicht erfüllt werden kann.

Ich denke, dass noch heftige Diskussionen zu führen sein werden, mit welchem Recht Ärzte einem Hochbetagten durch die Einweisung in ein Akutspital Leid und Schmerz zufügen, obwohl sie genau wissen, dass ihm dort noch weniger geholfen werden kann, als es mit konservativer Therapie daheim oder im Pflegeheim möglich ist.

Weshalb es diesbezüglich keine Rechtsprechung gibt, liegt wohl daran, dass kein – letzt Endes verstorbener – Patient (Schmerzens)geldforderungen gegen den Arzt einklagen kann, der ihn vor seinem Ableben noch rasch ins Spital eingewiesen hat.

Früher, als es noch keine Fragen oder gar Forderungen an die Medizin gab (musste der Patient leiden? konnte man dagegen etwas tun? etc.) hatte man auch eine andere Einstellung zum „Sterben zuhause“. Heute aber, da solche Forderungen an die Medizin gestellt werden, sollte dem geriatrischen Patient, sollte für Angehörige und auch den behandelnden Ärzten der moderne medizinische Standard – Geriatrie – zur Seite stehen.


[1] Kommunikation mit Sterbenden wird nur selten verbal geführt. Vielmehr ist hier ein Austauschen von Gefühlen, Erlebtem, Ver­gangenem und von Empfindungen gemeint.

klinische und praktische Geriatrie

Eine wissenschaftliche Herangehensweise an Geriatrie war in Österreich schon längst überfällig. Seit 1.10.12 gibt es auch in Wien eine Professur für Geriatrie, die Hr. Prof. Marcus Köller im Geriatriezentrum Sophienspital ausübt (vgl. Professur für Geriatrie).

Was bedeutet das nun für geriatrische Patienten, die nicht ins Spital und nicht in ein Pflegeheim gebracht werden wollen, sondern mit Altenmedizin in ihren eigenen vier Wänden versorgt werden möchten? Wie und wann kommen alte, mehrfachkranke (multimorbide), bettlägerige, chronisch Kranke – oft auch Pflegefälle (vgl. Pflegefall) genannt – in den Genuss von Geriatrie?

Den Arzt für Allgemeinmedizin (früher praktischer Arzt) durch Spezialisten zu ersetzen und so den Hausarzt „aussterben“ zu lassen, das hat das Gesundheitssystem schon geschafft, wenngleich dafür ein horrender Preis bezahlt wird („Selbstzuweisung“ zu Fachärzten, Mehrfachuntersuchungen, Doppel- und Dreifachverordnen von Medikamenten, Spitalseinweisungen etc.). Ich bezweifle ob das System die finanziellen Ressourcen dafür wird aufbringen können, die notwendig sein werden, wenn Betagten praktische Geriatrie vorenthalten wird, und der Bevölkerung nur klinische Geriatrie gezeigt wird. Der Pflegefall ist meist immobil und kann deshalb nicht zum Arzt gehen. Fachärzte machen schon längst keine Hausbesuche mehr und Ärzte für Allgemeinmedizin, die zwar noch Hausbesuche machen, können und wollen aus verschiedensten Gründen (vgl. defensive medicine) die Verantwortung nicht tragen, chronisch Kranke zuhause zu behandeln. Klinische Geriater werden in Bezug auf Visitentätigkeit bestimmt mit Fachärzten konform gehen, d.h. klinische Geriater werden keine Hausbesuche machen.

Solange praktische Geriatrie (außerhalb von Spital und Pflegeheim angewandte Geriatrie) nicht genü­gend verbreitet ist, müssen Pflegefälle wohl oder übel immer in eine Institution (Spital oder Pflegeheim) gebracht werden, um adäquate Behandlung (mit aktueller Geriatrie) zu bekommen. Das wiederum hat schwerwiegende Auswirkungen auf den alten Menschen, (vgl. Spital – das Beste?), auf seine Familie und damit auch auf die Gesellschaft, und verursacht hohe Kosten im Gesundheits- u/o Sozialsystem.

Tipp: Änderung der Ärzteausbildungsordnung (Facharzt für praktische Geriatrie mit zwingender Ver­pflichtung Hausbesuche zu machen), Imageaufwertung und gesetzliche Rahmenbedingungen für praktische Geriatrie [Patientenverfügung, Unterscheidung zwischen Sterbebegleitung (palliativ­medizinische Behandlung) einerseits und Sterbehilfe oder Euthanasie andererseits].