Pflegegeld 2015

Ab 1.1.2015 wird der Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 verschärft, heißt es lapidar. Was aber bedeutet das konkret?

Während die Literatur von Aktivitäten des täglichen Lebens [activities of daily living (ADL)] spricht, unterscheidet das Pflegegeldgesetz (BPGG) zwischen Hilfen (betrifft den sachlichen Bereich) und Betreuung (betrifft den persönlichen Bereich). Die Zuerkennung von Pflegegeld setzt voraus, dass sowohl Hilfen als auch Betreuungsleistungen benötigt werden müssen.

Zu den Hilfen zählen Einkaufen gehen (entweder weil der Pflegebedürftige auch nur 2 kg nicht tragen kann, oder weil er sich mit Geld und Preisen nicht mehr auskennt). Wohnung aufräumen und Staub wischen (nicht gemeint ist Türen und Fenster putzen oder auch Staubsaugen). Leib- und Bettwäsche säubern (hierzu gehört waschen, aufhängen/trocknen und bügeln). Außer Haus gehen (zum Arzt zur Therapie).

Angenommen ein älterer Mensch benötigt Hilfen im gesamten sachlichen Bereich (siehe oben), und er braucht zusätzlich auch die häufigsten Betreuungsleistungen, nämlich für duschen/baden, Vorbereiten und Einnehmen der Medikamente, und Anziehen von Schuhen und Strümpfen.

Ab 2015 bekommt dieser durchaus als „pflegebedürftig“ zu bezeichnende Mensch nicht mehr Pflegestufe 2 und auch nicht mehr Pflegestufe 1. Nein, er ist jetzt – seit 1.1.2015 – noch nicht genug pflegebedürftig um überhaupt in den Genuss von Pflegegeld zu kommen.

Es sind nicht herzlose oder nicht gut genug geschulte Gutachterärzte verantwortlich dafür, dass dieser oben beschriebene pflegebedürftige Mensch kein Pflegegeld bekommt. Der Herr Sozialminister hat mit Zustimmung der gesamten Regierung den „Zugang verschärft“ und damit auch andere, weitreichende Folgen verursacht.

PflegegeldReform

Am 7.10.14 wurden geplante Änderungen des BPGG bekannt – eine eigenartige „Reform“. Nachdem der Zugang 2011 zu Stufe 1 von 50 auf 60 Stunden und zu Stufe 2 von 75 auf 85 h/Mo erhöht wurde, soll ab 2015 der Zugang nochmals erschwert werden, u.zw. zu Stufe 1 von 60 auf 65 und zu Stufe 2 von 85 auf 95 Betreuungsstunden pro Monat. (BPGG § 4 Abs. 2).

Die Erwartung daraus: im Jahr 2015 sollen anstatt 71.000 nur 65.000 neue Pflegegeldbezieher hinzukommen. Es geht also um 6.000 Personen, die auch Stufe 1 nicht mehr bekommen werden. Man nimmt diesen 6.000 Menschen ab 2015 etwas weg, was ihnen 2014 noch zugestanden ist. Das heißt für mich aber nicht „eingespart“. Einsparen sollte man bei Ausgaben die nicht den Pflegebedürftigen zugute kommen, obwohl das Geld für diese Ausgaben auch für die Pflegebedürftigen bereit gestellt wurde. Z.B. 12 Mio. Euro im Jahr für 58.000 Anträge die abgelehnt werden müssen, weil gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dieses Geld könnte man einsparen, ohne jemandem etwas wegzunehmen. Im Zuge einer echten Reform würde man draufkommen, dass das gar nicht so schwer umzusetzen ist.

Abseits volkswirtschaftlicher Auswirkungen stellen sich für mich einige Fragen.

Wie viele Pflegegeldbezieher der Stufe 1 gibt es insgesamt, deren Pflegebedarf zwischen 60,5 und 65 Stunden pro Monat liegt? Nach meinem Verständnis müssten ja alle 6.000 Pflegegeldwerber die von den negativen Auswirkungen betroffen sind, genau in diese Bandbreite fallen. Weil gutachtenstechnisch eine pflegestufenrelevante Differenz von 5 h/Mo in Stufe 1 kaum zu erreichen ist, wird das tatsächliche Ergebnis der „Reform“ erst aus der Statistik für 2015 abzulesen sein.

Für mich ist auch unverständlich was Seniorenverbände von SPÖ und ÖVP an dieser Reform gut finden. Einer „Reform“ die nur den Zugang verschärft und Erhöhung der Geldwerte erst ab 2016 verspricht, und zwar in Stufe 1 um € 3,10 pro Monat und in Stufe 2 um € 5,70 pro Monat mehr. Diese Summen konnten auch nicht verhindern, dass die angekündigten Neuerungen sonst quer durch alle politischen Parteien und Institutionen (Rechnungshof, Behindertenanwalt) nur Ablehnung und sogar Entrüstung auslösten (http://kurier.at/politik/inland/viel-kritik-fuer-mini-reform-bei-der-pflege/89.834.850; aber auch: http://www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/SCHLTHEM/SCHLAG/365Pflegegeld.shtml).

Inzwischen ist die kontraproduktive Wirkung bestimmt schon merkbar: Um noch in die „alte“ Regelung zu fallen, werden heuer noch viele „versuchen wir’s halt“-Anträge auf Zuerkennung bzw. auf Erhöhung der Pflegestufe eingehen. http://www.krone.at/Ombudsfrau/Hoehere_Pflegegeld-Huerde_Verein_hilft_bei_Antrag-Krone-Ombudsfrau-Story-422549. Dass aber jeder solche „Versuch“ das System mit ca. € 200,– belastet, habe ich schon an anderen Stellen beschrieben.

Im Gesetzesentwurf findet sich noch eine interessante, bislang eigentlich noch nicht kommentierte  Neuerung. „Online Informationsangebote“. „Die Website www.pflegedaheim.at soll pflegebedürftigen Personen und deren pflegenden Angehörigen zielgerichtete Auskünfte und Informationen zu Themen der Pflege und Betreuung zur Verfügung stellen“ [BPGG § 33d. (1)].

Das verfehlt meines Erachtens völlig das Ziel für Pflegebedürftige oder für deren pflegende Angehörige etwas zu tun – oder dieses Ziel war gar nicht angepeilt. Denn nur ganz selten sind es die pflegebedürftigen Personen selbst, die Informationen im Internet suchen. Und jene die noch selbst dazu imstande sind, hat der Hr. Minister ohnehin schon von Pflegestufe 1 ausgeschlossen. Bleiben noch deren pflegende Angehörige. Die haben wiederum keine Zeit und meist auch nicht die technischen Fertigkeiten für Internet-Recherchen. Alte, chronisch kranke, pflegebedürftige Personen mit einer noch so gut gewarteten Website abzuspeisen kann ich auch nicht als Reform sehen. Für mich klingt es sogar verhöhnend pflegende Angehörige – die schwerste körperliche Arbeit leisten und psychischen Belastungen ausgesetzt sind – mit einer Website vor dem burn-out bewahren zu wollen. Oder sollte der beabsichtigte Relaunche einer bestehenden Website die staatliche Anerkennung für all jene darstellen, die „kostenlos“ Sozial- und Pflegeleistungen erbringen, die eigentlich dem Staat zufallen könnten?

Wenn das Sozialministerium pflegenden Angehörigen tatsächlich helfen möchte – was notwendig und sehr zu begrüßen wäre – müssten etwas ernstere Gedanken in eine echte Reform investiert werden.

Es sind meist Kinder oder Enkelkinder von pflegebedürftigen Personen – jene, die Pflege und deren Finanzierung organisieren – die Informationen über Finanzielles (Zuschüsse, Förderungen, Pflegegeld) suchen. Diese (weil meist nicht-pflegenden) Angehörigen brauchen keine Auskünfte zu Themen der Pflege und Betreuung (s.o.) sondern sie wollen wissen welche Möglichkeiten es zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gibt – was laut Gesetzesentwurf in einer (anderswo?) online abzurufenden Servicedatenbank zu finden sein soll. Dort werden Bürger umfassende Informationen zu Alten- und Pflegeheimen in Österreich, zu den bestehenden Angeboten mobiler sozialer Dienste und zu zahlreichen anderen Einrichtungen der sozialen Landschaft Österreichs bekommen [BPGG § 33e. (1)]. Wann diese Datenbank allerdings online sein wird und welche Daten sie genau enthalten wird, steht nicht im Entwurf.

Nun aber zu eigenen Reformgedanken – das Pflegegeldgesetz betreffend.

Wer – wie ich – das Pflegegeldsystem von der Basis her kennt, der weiß dass es genügend Ansatzpunkte für effiziente und notwendige Reformen gibt. Ob die Umsetzung solcher Reformen aber gewollt und möglich ist, kann nur sagen wer das System von innen kennt – und zu denen kann ich mich nicht zählen.

Deshalb gehe ich mit Vorschlägen erst gar nicht ins Detail, sondern stelle vorab nur folgende Frage: Möchte auch die Politik der Auffassung der Gerichte folgen, dass Pflegegeld nicht der Einkommenserhöhung der pflegebedürftigen Person dient, sondern eine zweckgebundene Leistung zur Abgeltung von Mehraufwendungen für eine behinderungsbedingte Pflege ist (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld (2013) Rz 11). Oder ist es dem Staat lieber, weil „billiger“, nur einem geringen Teil der „Mindestpensionisten“ dadurch das Überleben zu ermöglichen, dass ihnen (erst über Antrag) Pflegegeld gewährt wird, anstatt die Mindestpensionen auf ein Maß anzuheben, das für alle Empfänger menschenwürdiges Überleben (auch im Winter) gewährleistet.

Wenn also seitens der Politik die ehrliche Absicht besteht, Reformen zu beginnen, schlage ich vor rein finanziell maßgebliche Komponenten (Einsparungen) von Maßnahmen zu unterscheiden, die nicht nur aus Kostengründen sondern auch deshalb umzusetzen sind, weil sie Missstände beseitigen, die zu Recht Unmut in der Bevölkerung hervorrufen.

Tipp: Machen Sie eine kostenlose Pflegestufenberechnung bei www.pflegestufen.at. Das kostet das System keinen cent und gibt Ihnen Auskunft welche Pflegestufe sie wahrscheinlich bekommen können.

das ärztliche Gespräch – Beratung von Nicht-Medizinern

Das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Betroffenem (Patient oder Angehöriger) bringt für den Arzt meist zusätzliche, wichtige Information und es erzeugt beim Betroffenen Vertrauen, Zuversicht, Beruhigung, Sicherheit – kurz eine Fülle von emotionellen, nicht messbaren Kriterien die für die Genesung und für die Unterstützung des Patienten von großer Bedeutung sind. Auch Angehörige sollten auf all das nicht zu verzichten. Das ärztliche Gespräch kann zwar durch nichts ersetzt werden, trotzdem wird es immer seltener geführt.

Auf ärztlicher Seite sind dafür leider nicht nur die beiden populistischen Argumente verantwortlich „Zeitmangel“ und „wird von der Krankenkassa nicht bezahlt“. Weil auch in der Medizin vieles (gemäß statistischer Häufigkeit) automatisiert abläuft, haben Mediziner verlernt ihre Intuition und ihre Sinne zu schärfen, ärztliche Erfahrung zu sammeln und in die Arzt-Patient Beziehung einfließen zu lassen. Wo nach state-of-the-art und nach Leitlinien behandelt wird, hat nichts mehr Platz was nicht diesen Normen entspricht. Darüber hinaus hat das geltende Motto „jeder klagt jeden“ Ärzte sehr vorsichtig gemacht. Vor dem Richter kann sich kein Arzt damit verantworten nach seiner Intuition und nach seiner Erfahrung gehandelt zu haben. Allemal aber „geht frei“, wer nach evidence based medicine oder nach Leitlinien gehandelt und behandelt hat.

Von Betroffenenseite wird das persönliche Gespräch u.a. deshalb immer seltener in Anspruch genommen, weil heute jeder über das Internet Zugang zu Fachinformation hat. Laien fühlen sich mit dem im Internet zugänglichen Wissen um ein Vielfaches besser informiert als sie zuvor waren. Manchmal sind sie sogar auch wirklich besser informiert als ein Arzt, der nicht auf dem neuesten Stand ist. Doch der Schein trügt. Mit medizinischer Information ausgestattet fühlen sich viele Menschen genug kompetent den eigenen Gesundheitszustand zu beurteilen und zu behandeln. Ja sie nehmen es sich oft heraus, auch den Gesundheitszustand anderer Menschen zu beurteilen; sie maßen sich sogar an Personen wegen bestimmter Symptome zu verurteilen. Das wiederum führt dazu, dass immer weniger Leute – sogar mit einem Arzt – über ihre „Probleme“ oder Symptome sprechen wollen, weil sie nicht das Gefühl haben möchten bloßgestellt zu sein. Sie haben Angst davor, was ein Arzt daraus alles erkennen könnte. Selbstverständlich beurteilen sie auch diese Eventualität nicht mit der Kompetenz eines Fachmanns sondern nur mit dem aus dem Internet erlangten Wissen. Deshalb wenden sie sich erst gar nicht an den Arzt.

Der Zugang zu Informationen und sogar das Besitzen von speziellem Detailwissen können den Laien noch nicht zum guten ‚Eigenbehandler‘ machen. Denn neben richtiger medizinischer Behandlung braucht es auch ärztlichen Zuspruch und die Kompetenz eines Arztes. (Ärzte wissen sehr wohl, weshalb sie in wichtigen Fällen ihre eigene Behandlung einem/einer KollegIn überlassen!) Wer auf ein Arztgespräch verzichtet kann auch die Sicherheit nicht spüren nach welcher er sucht und sich sehnt. Um Beruhigung und positiven Vorwärtsblick zu erfahren ist es (neben der notwendigen beruflichen Distanz zum Patient) auch wichtig medizinische Zusammenhänge zu kennen, ist es wichtig menschliche Unsicherheiten und Ängste zu verstehen und ist es notwendig der beim Betroffenen vorhandenen Ungewissheit vor der Zukunft richtig zu begegnen. Ein Arzt hat entsprechende Erfahrung, er hat schon wiederholte Male Genesungsprozesse eingeleitet und miterlebt, er hat aber auch schon negative Entwicklun­gen gesehen, und kann sie deshalb wiedererkennen oder sie gegebenenfalls überzeugend ausschließen; der erfahrene Arzt muss „zwischen den Zeilen“ der Fragen von Betroffenen lesen können; und er muss sich die notwendige Zeit für Antworten nehmen. Komponenten die bei Ärzten auch isoliert kaum mehr anzutreffen sind, kommen gleichzeitig – wenn überhaupt – nur mehr äußerst selten vor.

Ein weiterer Grund, weshalb Betroffene immer seltener zum Arztgespräch gehen ist die Suche nach Geborgenheit. Betroffene wollen, dass ihre vermeintlichen Schwachstellen geschützt bleiben. Diesen Schutz bietet die Anonymität im Internet. Dort wo Leute Hilfe für ihre menschlichen Schwächen und Verletzlichkeiten suchen, ohne ihre Identität preisgeben zu wollen kann der Einzelne im Internet seine Identität gut verbergen. So muss er sich auch vor niemandem genieren und er braucht sich dann auch nicht zu „rechtfertigen“, wenn er erhaltene Empfehlungen oder Ratschläge nicht verstanden hat, nicht befolgen wollte oder einfach nicht befolgt hat.

Wer weiß wo er richtige und ehrliche Information suchen muss, der findet im Internet neueste Erkenntnisse über Krankhei­ten und Symptome. Wem die Verlässlichkeit der Information weniger wichtig ist als die Möglichkeit selbst „mitreden“ zu können, der ist in diversen Internet-Foren richtig, wo er sich mit gleichgesinnten Laien und Sonstigen austauschen kann, die einem Ratschläge geben. An Informations­wert entspricht das etwa einem Gespräch das man mit der Nachbarin auf der Straße führt und es kommt ein Passant vorbei, der dazu „etwas weiß“, weil er Ähnliches gehört oder sogar schon selbst erlebt hat. Mit Infor­mation und mit Ratschlägen die man in Internet-Foren bekommt sollte man sehr vorsichtig und kritisch umgehen.

Schon etwas verlässlichere Information bekommt man, wenn man einen ersten Schritt aus der Anony­mität heraus wagt. Z.B. in eine Selbsthilfegruppe geht. Manche Menschen sind bereit sich in einer Selbsthilfegruppe zu zeigen – wo sie glauben an relevante u/o nützliche Informationen zu gelan­gen, weil dort ja alle Menschen „dieselben Probleme“ hätten. Vielleicht sind Symptome oder sogar Diagnosen dieselben, aber Probleme die ein Individuum hat, sind mit Sicherheit nicht „dieselben Probleme“ die ein zweites Individuum hat; und noch viel weniger kann man sagen, dass eine Problemlösung jemandem helfen muss, weil sie schon einem anderen geholfen hat. Jeder Mensch – ob der Erkrankte selbst, oder ein Angehöriger – hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Umwelt, sein eigenes Empfinden, seine eigene Lebenserfahrung und seine eigenen Verarbeitungswerkzeuge. Schon aus diesem Grund haben Menschen in einer Selbsthilfegruppe weder „dieselben Probleme“ oder kann es für jeden der dorthin geht das „Patentrezept“ geben. Dennoch ist es meist schon eine Hilfe wenn man sieht, dass man nicht der einzige Mensch auf dieser Welt ist, dessen Problem durch eine derartige Gesundheitsveränderung entstanden ist. Trotzdem ist jeder mit seinem Problem alleine.

Der direkteste und wirksamste Schritt um individuelle Hilfe zu bekommen um mit medizinischen Problemen fertig zu werden ist, sich beim Fachmann zu „offenbaren“. Das ist aber für viele Menschen auch die „schwierigste“ Form. Das helfende Gespräch bleibt aus, wenn es in einem „hektischen“ Umfeld stattfinden müsste, weil der Arzt keine Zeit hat. Gleichfalls findet es nicht statt, wenn der Arzt auch nur versucht dem beratenden Gespräch auszuweichen. Dann spürt der Betroffene sogar noch verstärkt, mit seinem Problem alleine da zu stehen.

Das direkte virtuelle Arztgespräch via Internet oder per Email ist die Brücke, die Menschen bei erhaltener Anonymität zum Fachmann bringt.

Das Einrichten einer solchen Plattform ist in Planung, denn ich sehe es für angebracht den beiden großen, aber doch sehr unterschiedlichen Gruppen, pflegende und nicht-pflegende Angehörige das virtuelle Arztgespräch zur Verfügung zu stellen. Sie stehen oft im Berufsleben, sodass sie (tagsüber) kaum Zeit finden einen Geriater zu suchen oder den Geriater zu konsultieren. Speziell für diese Personengruppe sind „Arztgespräche“ via Email ideal. Beim virtuellen geriatrischen Arztgespräch wird es weder um Diagnostik noch um Therapie gehen. Hier wird es um Erklärung des Zustandes geriatrischer Patienten gehen, sowie um Anleitung für Betroffene ihre eigenen Werkzeuge am effektivsten einzusetzen. Dabei wird es generell um die Beratung von Nicht-Medizinern gehen.

In der Geriatrie, wo Angehörigenberatung nicht nur für den Angehörigen selbst wichtig ist, sondern auch dem Patient zugutekommt, bietet sich die virtuelle Sprechstunde förmlich an. Berufstätige Kinder oder Enkelkinder der Pflegebe­dürftigen aber auch pflegende Angehörige haben oft auch nicht das Gemüt über das zu sprechen, was sie belastet. Sie trauen sich meist auch gar nicht auszusprechen was sie in Wirklichkeit denken oder am liebsten „zum Himmel schreien“ möchten. Nicht selten aber haben sie auch Mühe zu artikulieren und zu formulieren, was sie bedrückt.

Wer sich selbst nichts vormachen möchte, wer sich eingesteht mit dem im Internet verfügbaren Wissen für sich selbst nichts anfangen zu können, wer mit seinem eigenen Gesundheitszustand oder wegen des Gesundheitszu­standes eines Angehörigen aber Probleme hat, wer nicht Antworten auf theoretisch-medizinischer Basis sucht sondern Antworten zum praktischen Umgang mit medizinischen Situationen braucht und wer Mühe hat seine Fragen zu formulieren oder zu präzisieren, dem wird die virtuelle Arztsprechstunde nützen.

Unlösbar erscheinende Probleme bestehen meist aus mehreren oder gar aus vielen Komponenten. Der erste Schritt den man zu tun hat, um zu einer Lösung zu gelangen ist, Einzelkomponenten zu erkennen isoliert zu betrachten und zu benennen. Im zweiten Schritt muss man sich darüber klar werden, welche Frage(n) einer Komponente man beantwortet haben möchte (dafür habe ich unter „erwartete Antwort“ einige Fragen gelistet, aus welchen man auswählen kann). So kann man schrittweise vorwärtskommen, bis der gesamte Komplex entwirrt und gelöst ist.

Um die geplante virtuelle Arztsprechstunde anschaulich zu machen, zeige ich hier an einigen Fragen wie solche formuliert sein sollen:

Probleme von pflegenden Angehörigen

  1. Er/sie wird aggressiv, sobald …
  2. Er/sie ist starrsinnig (bitte nennen Sie zumindest ein Beispiel)
  3. Er/sie hilft nicht mit, bei …
  4. Er/sie hat einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, was zur Folge hat, dass …
  5. Er/sie spricht zu/mit längst Verstorbenen Personen, was bedeutet dass
  6. Er/sie spricht nicht mehr, sodass …
  7. Er/sie wirft mir vor, mich nicht um ihn/sie zu kümmern, obwohl …
  8. Zuhause geht es nicht mehr, er/sie will aber nicht in ein Heim, weil …
  9. Zuhause geht es nicht mehr, ich habe aber versprochen ihn/sie nie in ein Heim zu geben, weil …
  10. Er/sie lebt bei mir/uns, das Problem dabei ist …
  11. Er/sie verweigert Pflegemaßnahmen, wenn …
  12. Er/sie vernachlässigt Körperhygiene, was bedeutet …
  13. Er/sie verweigert essen und/oder trinken, seit …
  14. Er/sie ist so sehr verwirrt, dass er/sie …
  15. Er/sie verweigert Inkontinenzprodukte (Windeln), sodass …
  16. Ich möchte/wir wollen auf Urlaub fahren, aber …

Probleme von nicht-pflegenden Angehörigen

  1. Ich habe Schuldgefühle, weil …
  2. Ich möchte für ihn/sie das Beste …
  3. Wie kann ich ihn/sie dazu bringen, dass …
  4. Ich trage die ganze Last, während die anderen …
  5. Ich bin ein Einzelkind (oder mein Bruder/meine Schwester ist verstorben) und …
  6. Wir haben ein Leben lang nur gestritten und jetzt …
  7. Er/sie war nie für mich da, und jetzt …
  8. Ich habe immer alles für ihn/sie gemacht, und jetzt am Ende kommt …
  9. Er/sie lebt alleine, was zum Problem geworden ist, weil …
  10. Er/sie hat an allem Interesse verloren, seit …
  11. Er/sie zieht sich zurück, seit …
  12. Er/sie lässt keine Hilfe in die Wohnung, weil … /sodass …
  13. Er/sie ist im Pflegeheim, aber dort …
  14. Er/sie hat eine 24-h-Betreuung, aber …
  15. Er/sie ruft xMal am Tag an, wegen …

Erwartete Antwort

Worauf ist das zurückzuführen?

Wie soll ich mich verhalten?

Was kann ich dagegen tun?

Was kann man generell/medizinisch dagegen tun?

Gibt es andere/bessere Medikamente, um folgende Beschwerden zu mildern/zu bessern?

Was habe ich/haben wir noch alles zu erwarten?

Wohin wird sich das entwickeln?

Wer hilft mir bei …?

Pflegebedarf in Stunden

Pflegegeld ist für pflegebedürftige Personen vorgesehen. Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten. [vgl. § 1 Bundespflegegeldgesetz (BPGG)]. Oft wird aber unrichtigerweise interpretiert, dass Pflegegeld eine finanzielle Abgeltung für zu ertragende Schmerzen und Leiden sei, oder dass bestimmte Diagnosen bzw. hohes Alter automatisch einen Pflegegeldanspruch auslösen.

Auf „offiziellen“ Websites (z.B. help.gv.at, Sozialministerium, Bundessozialamt etc.) findet man zwar rasch die Information wie viel Pflegebedarf in Stunden pro Monat für welche Stufe notwendig ist. Doch wer einzelne Stundenwerte kennen will um den Gesamtpflegebedarf zu berechnen, der muss schon länger suchen. Der Begriff „Pflegebedarf“ umfasst Hilfen, Betreuungsleistungen und unter bestimmten Voraussetzungen auch den Erschwerniszuschlag.

Für die Einstufung sind nicht Zeiten maßgeblich, die man individuell für Pflegebedürftige aufwendet, sondern es zählen die im Pflegegeldgesetz festgelegten Stunden.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären: Nehmen wir an, eine alte Dame muss zum ‚Einkaufen gehen‘ begleitet werden. Vielleicht weil sie sich mit dem Geld nicht mehr verlässlich auskennt, weil es im Haus keinen Lift gibt, weil sie schwindlig ist und deshalb nur mit Rollator gehen kann, weil sie (z.B. wegen Schmerzen) nichts tragen kann; sie geht schon schlecht und braucht für den Weg bis zum Supermarkt 30 Minuten. Die Entscheidung was heute eingekauft werden soll, die Wegstrecken im Supermarkt, das Warten an der Kassa und der Weg zurück nach Hause nehmen alles in allem fast 2 Stunden in Anspruch. Begleitet man die Dame auch nur jeden 2. Tag zum Einkaufen, so ergibt das alleine ca. 30 Stunden im Monat.

So verständlich der Standpunkt der Angehörigen dieser Dame ist und so groß deren Bedürfnis ist, dem Gutachter die Rechnung für diese und für viele andere Hilfen im Detail darzulegen, so erfolglos muss die Rechnung aber bleiben. Denn auf der anderen Seite steht das Gesetz, nach welchem das Gutachten erstellt wird.

Um alle gleich zu behandeln sagt das Gesetz folgendes: Solch eine Dame kann Nahrungsmittel, Medikamente und Bedarfsgüter des täglichen Lebens nicht mehr selbst herbeischaffen, also braucht sie dafür Hilfe. Bei einem gesunden Mensch dauert die Dienstleistung ‚Einkaufen‘ 10 Stunden pro Monat (Zukaufen der Dienstleistung). Also darf der Gutachter dafür auch nicht mehr als die gesetzlich vorgegebenen 10 Stunden/Monat in den Gesamtpflegebedarf einrechnen. Die im BPGG für diverse Verrichtungen angeführten Stundensätze wurden von einer Expertengruppe erarbeitet (ihr gehörten u. a. Pflegepersonal, ärztliche Sachverständige und Behindertenvertreter an) und sie entsprechen auch dem tatsächlich notwendigen Zeitaufwand.

Aber selbst bei Kenntnis der einzelnen Stundensätze ist es nicht ratsam (heute aber auch nicht mehr notwendig, weil es im Internet Pflegestufenrechner gibt) selbst zu versuchen die Pflegestufe zu ermitteln. Dafür bedarf es nämlich mehr als bloß einer Additions­rechnung. Es genügt nicht zu behaupten „er/sie kann nichts mehr selber machen“, „er/sie braucht für alles Hilfe“, „man kann ihn/sie nicht mehr alleine lassen“, oder „er/sie braucht rund um die Uhr jemanden“. Behauptete Funktionsdefizite oder notwendige Hilfen bzw. Betreuungsleistungen müssen medizinisch zu erklären sein.

Es bedarf also auch medizinischen Wissens um Pflegebedarf richtig zu berechnen. Und weil für manche Hilfsleistungen ein Fixwert anzuwenden ist, für andere Betreuungsleistungen das Gesetz aber einen Rahmen vorsieht in welchem sich die Leistung bewegen kann, ist hierfür wiederum Erfahrung erforderlich.

Nur speziell ausgebildete Gutachterärzte (seit 2012 darf auch speziell geschultes Pflegepersonal für Nachbegutachtungen herangezogen werden) können und dürfen Einstufungen nach dem BPGG vornehmen, denn dazu muss man 1. das Gesetz, die Verordnungen und höchstgerichtliche Entscheidungen kennen. 2. Man braucht medizinisches Wissen um die Hilfsbedürftigkeit richtig zu argumentieren und 3. jeder Einstufungsvorschlag (wie ihn von der PV beauftragte Gutachter machen) muss in einem schlüssigen Gutachten dargelegt sein, das alle Kriterien erfüllt nach welchen medizinische Gutachten zu erstellen sind. Nach eben diesen Kriterien prüfen in der PV auch Oberbegutachter den Einstufungsvorschlag und erst danach wird er der Leistungsabteilung zur Entscheidung vorgelegt.

In Österreich ist Vieles so kompliziert, dass einfache Bürger kaum dahinter kommen, wie man das legal mögliche Optimum herausholt. Beispiele dafür sind nicht nur das Pflegegeldgesetz sondern auch Steuer- und Pensionsrecht mit ihren vielen „wenn“ und „aber“. Ich finde, der Bürger muss ja nicht selbst ein Gutachten erstellen können, er darf meines Erachtens aber ungefähr wissen welche Pflegestufe einem bestimmten Zustand eines Pflegebedürftigen entsprechen kann.

Ich sah es als Herausforderung einen Algorithmus zu finden, nach welchem mit relativ hoher Verlässlichkeit die richtige Pflegestufe berechnet werden kann. Obwohl ich die Erfahrung aus tausenden bereits erstellten Gutachten mitbrachte war die Aufgabe gar nicht einfach. Neben den oben beschriebenen Fakten kam noch einiges hinzu: Zunächst musste ich festlegen welche Fragen auf die im Gesetz genannten Hilfs- oder Betreuungsdienste Bezug nehmen. Dann waren die Fragen derart zu formulieren, dass es nur eindeutige Antworten gibt, weil sonst keine Berechnung möglich ist. Und schließlich müssen Antworten die richtige Anzahl von Betreuungsstunden in die Berechnung aufnehmen während andere Antworten die Richtigkeit verifizieren, eingrenzen oder wieder rückgängig machen, dort wo das Gesetz eine „von bis“ Bandbreite zulässt.

Das Ergebnis meiner Herausforderung findet man bei www.pflegestufen.at.

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PflegegeldHerabstufung

Oft hört man die Frage: kann man beim Pflegegeld auch herabgestuft werden? Die Antwort lautet eindeutig: „JA“. Begriffe wie „erworbene Rechte“ finden sich im Pflegegeldgesetz ebenso wenig wie Pflegegeld aufgrund eines Vertrages ausbezahlt wird, also kommt auch der Begriff „Eingriff in bestehende Verträge“ nicht zum Tragen, aber auch ein Plädoyer dass „Verlass auf Lebensplanung“ gegeben sein muss wird ins Leere gehen – und schließlich gibt es „Sicherheitsstufen“ nur bei manchen Quizsendungen.

Die Nachuntersuchung vom Entscheidungsträger ja angeordnet um festzustellen ob gegenüber dem Gewährungsgutachten eine funktionelle Besserung eingetreten ist. Ist das der Fall wird neu eingestuft. Das Ergebnis einer Nachuntersuchung kann also durchaus heißen, dass herabgestuft wird aber auch dass das Pflegegeld gänzlich entzogen wird. Die funktionelle Besserung kann viele Ursachen haben. „Weniger Schmerzen“ oder „Heilung“ sind aber nicht die einzigen Ursachen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass im Umkehrschluss auch die Tatsache „es ist alles schlechter geworden“ eine höhere Pflegestufe zur Folge haben muss.

Und ob man im Zuge der Begutachtung anlässlich eines Erhöhungsantrages herabgestuft werden kann – auch diese Frage ist mit „JA“ zu beantworten.

Die Zeiten, da Empfänger des Hilflosenzuschusses automatisch Pflegegeld bekamen sind schon längst vorbei.

Mit Übernahme des Landespflegegeldes in die Bundeskompetenz (ab 1.1.2012) sollte österreichweit eine einheitliche Einstufung erreicht werden. Es kann sein, dass der nächste Schritt (als logische Folge) sein wird, die ursprünglich viel zu „großzügigen“ Einstufungen auf die gesetzliche Norm zurückzuführen, sodass mehr Geld im Topf bleibt, das dann wirklich Bedürftigen zugutekommt.

Zusätzlich wurde mit 1.1.2012 die benötigte Mindeststundenanzahl pro Monat für Stufe 1 von mehr als 50 auf mehr als 60 erhöht und für Stufe 2 von mehr als 75 auf mehr als 85 Stunden pro Monat erhöht. Anfänglich galt die Direktive bei Begutachtung wegen Erhöhungsanträgen die Stufe nicht nach der neuen – akutellen – Gesetzeslage zu berechnen, sondern die „alte“ Stufe zu belassen. Wie lange Entscheidungsträger für solche Fälle noch die „alte“ Einstufung berücksichtigen werden, ohne die aktuelle Gesetzeslage anzuwenden, ist fraglich.

Jedem Antrag wird eine neue Begutachtung folgen – und der Gutachter muss seinen Auftrag erfüllen. Dabei muss er einerseits den aktuellen Funktionszustand des Pflegegeldwerbers beurteilen und andererseits die aktuelle Gesetzeslage beachten.

Tipp:  Bevor man das Risiko eingeht anlässlich der Begutachtung wegen eines Erhöhungsantrages herabgestuft zu werden, kann man die Pflegestufe kostenlos im Internet selbst berechnen um eine Richtung zu bekommen. Man kann aber auch Pflegegeldberatung in Anspruch nehmen um zu hören ob man mit der aktuellen Pflegestufe nicht ohnehin schon bestens bedient ist.