Neuregelung des § 78 StGB und die Ärzteschaft

Die vom VfGH geforderte Korrektur des österreichischen StGB wird hier den Einzelnen so weit wie möglich von paternalistischen, religiösen und staatlichen Zwängen befreien.

Wie eine Reparatur aussehen kann

Die Reparatur des § 78 StGB könnte auf zweierlei Arten erfolgen: a) Ausnahmen vom Verbot aufzählen (zB Herbeischaffen der todbringenden Substanz ist erlaubt, oder Begleiten eines Suizidwilligen ins Ausland wo Sterbehilfen weniger streng geregelt sind als in Österreich ist erlaubt) oder b) strafbare Tatbestände nennen, zB wer gewerbsmäßig oder regelmäßig Beihilfe zum Selbstmord leistet macht sich strafbar, oder

ein Arzt, der Beihilfe zum Selbstmord leistet, macht sich strafbar

Eine Forderung, welche Ärztekammern aus ethischen Gründen vehement stellen sollten.

Der Gesetzgeber könnte Beihilfe zum Suizid durch Ärzte aus mehreren Gründen strafbar machen. Die Reparatur des § 78 StGB soll mit aller Klarheit zum Ausdruck bringen, dass niemand erwarten darf unter dem Deckmantel des straffreien assistierten Suizids den weiterhin strafrechtlichen Tatbestand Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) zu bekommen.

Warum assistierter Suizid für Ärzte auch weiterhin strafbar bleiben könnte ergibt sich auch daraus, dass die Aufgabe von Ärzten ist, zu heilen oder Leiden zu lindern, nicht aber Menschen in den Tod zu helfen.

Ärzte stehen im Rahmen der beruflichen Sterbebegleitung oft genug vor der Gewissensfrage, wenn sie bei einem der beiden legalen Wege der Sterbehilfe entscheiden müssen: Palliativmedizin (indirekte Sterbehilfe) und Unterlassen von lebensrettenden bzw. lebenserhaltenden Maßnahmen, sofern das entweder der Patient selbst verlangt oder wenn eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt (passive Sterbehilfe).

Wenn Beihilfe zum Suizid durch Ärzte ein strafrechtlicher Tatbestand bleibt, kann es nicht zur Aufgabe der Ärzte (gemacht) werden, Beihilfe zum Suizid zu leisten.

Notwendiger Paradigmenwechsel

Nicht Verschreiben, nicht Beschaffen und nicht Bereitstellen eines todbringenden Mittels darf Ärzten auferlegt werden oder vorbehalten sein. Na-Pentobarbital in tödlicher Dosis ist eine Substanz, die jeder Suizidwillige kennt. Es ist also weder erforderlich noch rational erklärbar, weshalb ein unverwechselbares, allgemein bekanntes Gift zur Um­setzung des Suizids der Verschreibungspflicht bedürfen sollte.

Anders als bei Suchtgiften, wo Verschreibung, Aufbewahrung, Verabreichung bzw. Überwachung der Abgabe den Ärzten obliegen, soll die Behörde hier nur Verwahrung und Distribution (z.B. über Apotheken) der tödlichen Substanz reglementieren. Durch eindeutige Vorgaben für Bestellen und Abrufen kann Missbrauch weitgehend ausgeschlossen werden. Das richtige Zubereiten der Substanz kann der Sterbewillige ent­weder selbst besorgen, oder es kann jedem vernünftigen Erwachsenen (Assistent) überantwortet werden. Dafür ist wahrlich keine Ärzteausbildung Voraussetzung.

Ich persönlich möchte nicht von einer Kollegin oder von einem Kollegen behandelt werden, deren Ethik es zulässt für einen Patienten eine tödliche Dosis zu verordnen, die/der soeben im Nachbarzimmer Beihilfe zum Suizid geleistet hat, oder bei mir keine Zeit hat, weil er ins Nebenzimmer muss …

Empörung oder Enttäuschung über das ergangene VfGH Urteil ist von Seiten der Ärztekammern nicht angebracht, und als Reaktion zu wenig.


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