Kindern nicht zur Last fallen

Die Situation von Großeltern und Urgroßeltern, die in der Familie integriert sind sowie am Familienleben und am Tagesgeschehen teilnehmen, ist der anzustrebende Idealzustand bei alten Menschen. Solch ein Idealbild ist aber nicht Gegenstand dieses Artikels.

Alte Menschen sagen oft, daß sie ihren Kindern nicht zur Last fallen wollen. Dennoch brauchen sie das Gefühl, daß sich jemand um sie kümmert, auch und gerade wenn es noch nicht um Pflege geht.

Der noch selbstständige Senior sucht Hilfe, weil er spürt dass seine Probleme im gesundheitlichen Bereich wurzeln. Er macht sich auf den Weg von einem Arzt zum anderen, weil er ja nicht weiß, in welches Fachgebiet sein Problem überhaupt gehört. Von überlasteten Ärzten erfährt er, daß ihm „zum Glück nichts Schlimmes“ fehlt und er wird wieder weggeschickt. Es liegt nämlich meistens keine bestimmte Krankheit vor, sondern das “von allem ein bißchen“ überwiegt.

Unpräzise Angaben des Seniors über seine Beschwerden lassen den Eindruck entstehen, der ältere Mensch möchte nur „plaudern“. Vielmehr sehnt er sich aber nach Erklärungen, die ihm als medizinischen Laien verständlich sind. Bekommt er solche nicht, so tauchen bei ihm unweigerlich neue Fragen auf: „welcher Arzt schiebt nicht alles auf mein Alter“, oder „kann moderne Medizin für mich tatsächlich nichts tun?“ Letztlich bleibt er mit der Ungewißheit, weil die Beschwerden weiter bestehen und er mit niemandem über seine Sorgen sprechen konnte (vgl. mein Artikel Wegweiser).

Zwischen den Arztbesuchen wendet sich der Senior mit dem gleichen Unbehagen, das er ursprünglich hatte, an seine Familie und klagt bei seinen Kindern immer wieder über Beschwerden. Er möchte – wie er sagte – den Kindern zwar nicht zur Last fallen, erwartet in seiner unbefriedigenden Situation aber, dass die erwachsenen Kinder ihm helfen. Sie sollten entscheiden, welche Meinung der vielen konsultierten Ärzte die richtige sei, oder welches der verschriebenen Medikamente wohl am besten sei. Die Kinder sind aber auch überfordert – fehlt ihnen ja für derartige Entscheidungen ärztliches Wissen. Deren eigene Hilflosigkeit, verstärkt durch Zeitmangel und Abeitsstress wirkt sich negativ auf die Eltern-Kinder-Beziehung aus und führt dazu, dass bei den Kindern entweder die Sorge um die Eltern nun noch größer wird, oder sie entfernen sich von den (nörgelnden) Eltern. Gleichzeitig ist der Senior enttäuscht darüber, dass seine Kinder – wie er sich das auslegt – aus mangelndem Interesse oder aus Zeitmangel für ihn nichts tun möchten. In seiner Verzweiflung und in seinem Ärger verkennt er, dass die Kinder nicht „nichts tun möchten“, sondern „nichts tun können“.

Rüstige Senioren können von einem Tag auf den anderen zum Pflegefall werden. Dann betrifft das oben beschriebene Unbehagen die Angehörigen. Unabhängig von der Anzahl der Kinder und Schwiegerkinder stellt sich dann die Frage: „wohin mit dem nun plötzlich pflegebedürftig gewordenen Menschen?“. Jetzt benötigen Angehörige Hilfe. Sie brauchen auf Fragen kompetente Antworten: wie ernst ist der Zustand der Eltern tatsächlich? kann man sie unbesorgt alleine wohnen lassen, obwohl sie geistig, psychisch oder körperlich ja schon länger nicht wirklich ganz in Ordnung sind? … Was ist für die Eltern zu tun? Wie kann man ihnen zuhause helfen? Wohin kann od. soll man sich um finanzielle Zuschüsse wenden? Worauf soll man sich einstellen? Was wird das Alter sonst noch bringen? Man möchte ja nichts unversucht lassen und schon gar nichts versäumen … “ Hier hilft der praktizierende Geriater weiter, der einerseits zu dem Geschehen die notwendige professionelle Distanz hält und andererseits Erfahrung damit hat, weil er derartige Situationen täglich sieht.

Tipp: Patient und Angehörige sollten möglichst frühzeitig – nicht erst wenn schon Beschwerden und Krankeiten das Leben beschwerlich machen – einen Arzt ihres Vertrauens suchen und diesen regelmäßig (gesunde Senioren z.B. einmal pro Quartal) konsultieren.

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