Sterben – Tod

Wie wenig beforscht die letzte Lebensphase des Menschen ist, belegt schon die Tatsache, dass es keine allgemein gültige Nomenklatur gibt, die unterschiedliche Zustände und Zeiträume benennt.

Für jeden, der sich mit der Thematik rund um Tod und Sterben beschäftigt, ist es aber notwendig Ungleiches durch eigene Begriffe zu qualifizieren, um klar zu stellen worüber man spricht, bzw. auch einzugrenzen, womit man sich (selbst) gedanklich beschäftigt. Ich habe folgendes Schema:

Zunächst benennt man Lebensphasen (Säuglingsalter, Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, oder Erwerbszeitraum). Mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben beginnt eine Zeitspanne, für die es ebensowenig eine Bezeichnung gibt, wie man die Personen benennen kann, die sich in dieser Phase befinden (rüstige Pensionisten, junge Alte, gesunde Senioren etc.). Sie erstreckt sich bis zur letzten Etappe menschlichen Lebens, wo der Mensch durch Krankheit, Kraftverlust, deutlichen Abbau u/o Schmerz gezeichnet ist. Nennt man den Schlussteil der letzten Etappe des menschlichen Lebens Lebensende so gibt es am Lebensende noch die Zeitspanne des Sterbens. Dieser Zeitraum bildet den Übergang zwischen Leben (stabilen Organfunktionen) und Tod. Das Sterben wird durch ein nicht näher definierbares Ereignis eingeleitet, das gravierende (von sich aus irreversible) Auswirkungen auf den Organismus hat. Die Dauer des Sterbens ist nicht einheitlich und hängt wahrscheinlich auch von externen Faktoren (Temperatur, Lärm, Gespräche, Hautkontakte etc.) und von Emotionen ab, die der Sterbende empfindet/aufnimmt oder aussendet/abgibt. Die Phase des Sterbens endet mit dem Ableben des Menschen. Unmittelbar an das Ableben schließt der (ewig dauernde) Tod an. Die Auseinandersetzung mit der Frage ob und wie weit es Wechselwirkungen zwischen Umwelt und totem Organismus gibt, möchte ich Biologen, Philosophen und Theologen überlassen.

Gesellschaft

Nach 1945 geborene Generationen haben hierzulande in ihrem Umfeld allgegenwärtiges Sterben in jedem Lebensalter und täglichen Tod nicht mehr gesehen. Sie haben auch über Sterben von relativ jungen Menschen im Krieg – durch Hunger oder im Kampf gefallen – nur aus Erzählungen erfahren. Sie sind mit einer Medizin aufgewachsen, die keine Seuchen mehr zuließ, die schon Antibiotika einsetzte, die auch Hochbetagte erfolgreich operiert, die scheinbar wettmachen kann, dass der Einzelne seinen Körper vernachläßigt und sogar schädigt, die Herz-Lungen-Maschinen kennt und Beatmungsgeräte genauso einsetzt wie Dialyse, die täglich heroische Transplantationsmedizin bietet und …

Wohl aber kennen diese Generationen die Versorgungsdefizite bei den heute Alten. Europäische wie Amerikanische Untersuchungen haben gezeigt: Die Nachkriegsgeneration fürchtet am Lebensende an Schmerzen und Behinderungen leiden zu müssen, sie fürchtet sich vor Demenz und schließlich fürchtet sie die totale Abhängigkeit von anderen. Auch sind sie besorgt beim Sterben alleine gelassen zu sein (kein Angehöriger ist da, kein Arzt der Schmerzen lindern könnte). Es ist nur selten, dass Menschen das Ableben oder den Tod fürchten. Wenn Angst, dann haben sie Angst vor dem Sterben.

Es steht außer Zweifel, dass jeder Arzt bestimmte akut medizinische Maßnahmen ergreift, wenn er dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben eines Menschen rettet und absehbar ist, dass Hei­lung und/oder verbesserte Lebensqualität erreicht werden kann. Jeder Arzt muss aber auch die Entscheidung auf sich nehmen ob er zum Wohl und im Interesse des Patienten entweder Diagnostik (neuerlich Befunde erheben) und Therapie beginnt, oder ob er – aufgrund des Wissens, dass bei diesem Patienten die bestehende Multimorbidität nicht „wegbehandelt“ werden kann – zum Wohl und im Interesse des Patienten in palliativmedizinischem Sinn tätig wird. Nämlich unter beibehalten, reduzieren oder vielleicht sogar absetzen der etablierten Therapie eher in die Richtung behandelt, Angst und/oder Schmerzen zu lindern bzw. auszuschalten.

Tipp:
Jeder Mensch sollte sich rechtzeitig überlegen, welche Art Medizin er in der letzten Etappe seines Lebens an sich angewendet sehen möchte.
Jeder Arzt soll sich überlegen, ob er in der klinischen Forschung oder am Kranken- und Sterbebett von Patienten arbeiten möchte.

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