palliative Geriatrie

Die European Association of Palliative Care (EAPC) und die Europäische Gesell-schaft für Geriatrie (EUGMS) stellten ein gemeinsam erarbeitetes Manifest vor, das zum Ziel hat, den Startschuss für einen europäischen Fahrplan für Palliativmedizin und Geriatrie zu geben. Eine Liste mit Forderungen, die zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen geriatrischen und palliativen fachüber-greifenden Teams führen soll, findet sich in der von EAPC und EUGMS gemeinsam herausgegebenen Broschüre „Palliative care for older people: better practices“.(Z Palliativmed 2013; 14 S 9 und 10)

Während sich also Organisationen darum kümmern eine (bessere) Zusammen-arbeit zwischen Geriatrie und Palliativmedizin zu schaffen, sehe ich in der Praxis die dringliche Notwendigkeit, die Erkenntnisse beider medizinischen Teilbereiche zum Vorteil der leidenden, chronisch Kranken rasch umzusetzen. Ich nenne den Tätigkeitsbereich palliative Geriatrie. Bei zusammengesetzten Hauptwörtern ist immer das zuletzt stehende Hauptwort (Grundwort) der leitende Begriff, während die vorangestellten Hauptwörter deskriptiven Charakter zum Leitbegriff haben (z. B. Schifffahrt, Schifffahrtskapitän).

Analog dazu geht es bei palliativer Geriatrie nicht um Palliativmedizin im eigentlichen Sinn, sondern nur um jenen Bereich der Geriatrie, bei welchem kurative Therapie (Heilung) nicht mehr möglich ist. Es handelt sich aber nicht (wie bei Palliativmedizin) nur um onkologische Erkrankungen (Krebs), denn in der Geriatrie gibt es viele Veränderungen, die Beschwerden machen aber nicht mehr heilbar sind (z.B. degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat oder Demenz).

Weil andererseits aber viele Erkrankungen und Symptome sehr wohl heilbar sind (z.B. Infektionen oder Herzschwäche) bestehen bei palliativer Geriatrie also kurative und palliative Maßnahmen nebeneinander, auch dadurch unterscheidet sich palliative Geriatrie von Palliativmedizin.

Geriatrie impliziert, dass es sich um (hoch)betagte, multimorbide Patienten handelt, deren Betreuung sich über Monate und Jahre erstrecken kann.

Zwar lässt sich nicht vorhersagen wie hoch z.B. die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein heute 50 jähriger Mann oder eine heute 50 jährige Frau in X Jahren zu einem Pflegefall werden wird und über die Dauer von Y Monaten ständig auf fremde Hilfe angewiesen sein wird. Aber die durchschnittliche Pflegedauer für pflege- bzw. betreuungsbedürftige Menschen wird derzeit – je nach Quelle – mit 8,5[1] bis 9 Jahre[2] angegeben.

Wer nicht von anderen Menschen (Angehörige oder fremde Pflegekräfte) jahrelang gepflegt und betreut werden will, weil er infolge von körperlichen oder geistigen Behinderungen nicht fähig ist, sich selbst(ständig) zu versorgen, der sollte rechtzeitig Maßnahmen setzen. Die wichtigste Maßnahme ist, über diese Problematik mit einem Geriater und mit den Angehörigen zu sprechen. Zu erfahren, welche Möglichkeiten dann zur Verfügung stehen werden. Man sollte aktiv bei der Auswahl und Umsetzung von medizinischen Maßnahmen (z.B. weg lassen von präventivmedizinischen Medikamen­ten) teilnehmen. Ganz wichtig erscheint es mir eine Patientenverfügung zu verfassen, und nicht zuletzt sollte man einen Geriater suchen der bereit sein wird palliative Geriatrie umzusetzen.

Wer von einem Arzt zum anderen pilgert und nach Therapien sucht, die Heilung für altersbedingte Veränderungen bringen, für die es keine Heilung geben kann, der darf nicht plötzlich, zu einem bestim­mten Zeitpunkt von seinem Arzt erwarten oder sogar verlangen, dass er ihm „hilft“ aus dem Leben zu scheiden. Abgesehen davon, dass in Österreich Beihilfe zur Selbsttötung gesetzlich genauso verboten ist wie Euthanasie, halte ich derartige Wünsche nicht bloß für eine Beleidigung des Arztes, dem man damit unterstellt, dass er gegen seinen Auftrag – nämlich Krankheiten zu heilen und Leben zu retten – handeln wird. Vielmehr noch als eine Beleidigung. Derartiges sollte nach meinem Dafürhalten auch für den „Verlangenden“ nicht straffrei sein. Hilfe zur Selbsttötung von jemandem (vom Arzt) zu verlangen ist für mich nichts anderes wie Anstiftung (§ 12 StGB) und sollte nach meinem Verständnis mit dem gleichen Strafausmaß geahndet werden wie die Tötung auf Verlangen selbst (§ 77 StGB).

Zum richtigen Zeitpunkt aber einzusehen, dass palliative Geriatrie der richtige Behandlungsweg ist, und früh genug, die hierfür notwendigen Maßnahmen zu setzen, das eröffnet später die Möglichkeit, einen alten, chronisch kranken Mensch mit Palliativmedizin an sein Lebensende zu führen. Er braucht keine Angst zu haben vor seinem Tod oder während des Sterbens leiden zu müssen aber er wird auch nicht monate- oder gar jahrelang seinen Angehörigen zur Last fallen.

Tipp: vgl. behandlungswürdige Krankheiten und nicht behandlungswürdige Veränderungen, Geriatrie oder Behandlung von Krankheiten bei alten Menschen, was ist Geriatrie, klinische und praktische Geriatrie.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert