Lebensende – Sterben

Ich vertrete die Meinung, dass kein Mensch, nicht wir Ärzte aber auch nicht der Patient selbst das Lebensende herbeiführen darf. Weiters liegt Folgendes in meinem Verständnis: So wie Menschen keinen Lebensbeginn bestimmen können, dürfen Menschen auch ein Lebensende nicht bestimmen – auch nicht das eigene Lebensende.

„Selbstbestimmendes Lebensende“

Tötung eines Menschen kann im westlichen Kulturkreis nicht bejaht werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Tötung durch einen anderen erfolgt oder durch Selbsttötung. Welcher Mensch, welcher Arzt oder welcher Richter hat das Recht zu beurteilen, ob und wann Selbsttötung legitim wäre? Wenn also Sterbehilfe (als Mittel zu selbstbestimmendem Lebensende) legitimiert wird, müsste der Gesetzgeber meines Erachtens bei legitimierter Selbsttötung gleichzeitig eine Instanz zur Verfügung stellen, bei der man die Hilfe zur Selbsttötung „abholen“ oder einfordern kann. Wer sich umbringen möchte, dem wird es wohl auch selbst gelingen. Aber einen Arzt anzurufen oder gar gesetzlich zu verpflichten jemandem bei seinem Suizid zu helfen, ist bewusste Missachtung der persönlichen Werte eines Arztes und Missbrauch der Aufgaben seines Berufes.

Der Auftrag an den Arzt bzw. an die Medizin lautet, das Leid des Schwerstkranken zu lindern. Der Auftrag kann niemals lauten das Leid oder das Leiden durch Auslöschen des Lebens des Leidenden zu beenden.

„gutes Sterben“

Das Sterben eines Menschen ist für die Zurückgelassenen niemals etwas Gutes. Es sind aber immer nur die Hinterbliebenen, die das Sterben beurteilen. (vgl. den Arzt zum Schuldigen für das Ableben des Patienten machen)

Wir wissen nicht, wie ein Mensch das Sterben empfindet. Wohl aber wissen wir um die angenehm empfundene (Schmerzen stillende, Angst lösende, Schlaf induzierende und schöne Träume verur­sachende) Wirkung von hochpotenten Medikamenten. Es zählt zu den Aufgaben der Palliativmedi­ziner, die verschiedenen Substanzen zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosierung einzu­setzen. Den tatsächlichen Eintritt des Ablebens – zwar unter dem Einfluss solcher Substanzen, aber – immer noch der Natur zu überlassen, ist weit entfernt von gesetzlich verbotener Tötung.

Aus Erfahrung weiß ich, dass es keiner Tötung bedarf, um Hochbetagten und unheilbar Kranken Angst, Schmerzen und Leiden zu nehmen.

Heute werden auch alte, kranke Menschen mittels moderner Hochleistungsmedizin „versorgt“, weil Ärzte von „Heilung als den einzigen medizinischen Erfolg“ geleitet sind. Man braucht aber kein Mediziner zu sein, um zu wissen, dass viele Veränderungen bei alten Menschen nicht mehr heilbar sind. Wenn also ein alter Mensch stirbt, hat nicht der Arzt versagt. Ebenso ist es auch kein Erfolg des Arztes wenn ihm Lebensverlängerung oder qualvolle Sterbensverzögerung gelingt. Lebenserhaltung um jeden Preis anzustreben, ohne dabei auf den leidenden Patienten zu achten, sehe ich als Quälen von Wehrlosen bei gleichzeitigem Unterlassen von Hilfeleistung.

Aus meiner Sicht ist es (palliativ)medizinisch dann ein Erfolg, wenn der Hochbetagte schmerz- und angstfrei einschlafen = sterben kann.

Hier zu Diskutierendes bezieht sich auf das Lebensende von geriatrischen Patienten und ist nicht vergleichbar mit – und nicht anwendbar bei – drohendem Tod von jüngeren Menschen infolge Unfall oder Krankheit.

Tipp: Machen Sie rechtzeitig eine Patientenverfügung

4 Gedanken zu „Lebensende – Sterben“

  1. Schade, dass Sie das Formularfenster für „Webseite“ entfernt haben! Ich schätze die möglichen Kontakte, die über Besuche der jeweils verlinkten Webseiten und Blogs entstehen können sehr.

    Auch auf diese Seiten bin ich über Ihren Kommentar in meinem Blog Kunst-des-Alterns.de gekommen.

    Aber zur Sache: Warum soll ein Mensch nicht das Recht haben, sein Leben zu beenden, wenn es nicht mehr erträglich erscheint? Und warum nicht mit ärztlicher Hilfe, sofern der Arzt selber nichts dagegen hat? (Ich würde keinen gesetztlichen „Zwang“ einführen, natürlich nicht!).

    In Umfragen haben 60% der befragten Ärzte on Frankreich angegeben, schon mal Sterbehilfe geleistet zu haben – in DE waren es 40% (leider find ich dazu jetzt die Quelle nicht bzw. müsste erst lange suchen).

    Der Verweis auf die Palliativ-Medizin greift zu kurz: erstens steht sie nicht flächendeckend zur Verfügung – und zweitens gibt es sehr leidvolle und schreckliche „Endphasen“, z.B. bei Krebs, die man eben NICHT LINDERN kann. Ein Besuch im Pflegeboard bringt dazu genug Eindrücke, die ich mir am Ende SEHR GERNE ersparen würde.

    (Realer dort gelesener Beispiel-Fall: Tumor wächst „gebirgeartig“ aus dem Patienten heraus und stinkt so bestialisch, dass kein Mittel den Geruch und keines den Schmerz und das Gefühl totaler Isolation von allen Mitmenschen „in den Griff bekommen“ kann.)

    In diesem Endzustand ist man aber wohl in aller Regel nicht mehr im Stande, das eigene Ableben durch Eigeninitiative hinzubekommen. Wie denn auch – z.B. aus einem Krankenhaus oder Pflegeheim heraus? Da ist man heute auf die Gnade von Ärzten angewiesen, die vielleicht doch ein Einsehen haben – oder auf die Risikobereitschaft von Freunden, die vielleicht die „letzten Mittel“ ans Bett bringen. Und selbst dann ist man vor dem „gerettet werden“ ja nicht sicher.

    Für mich gehört zu einem würdigen Ende die Möglichkeit, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Gäbe es dieses Recht, würden gewiss ganz viele nicht davon Gebrauch machen – doch es würde beruhigen, zu wissen, dass es jederzeit diesen Ausweg gibt.

    1. Erst einmal Danke für die offene Diskussion.

      Zur vermissten Begründung: Was ich unter “Mein Verständnis” schreibe, nämlich der analoge Schluss zu “Leben schaffen” (Lebensbeginn zu bestimmen) ist für mich die Begründung dafür, dass kein Mensch … das Lebensende herbeiführen darf.

      Ob es im Regulativ der zwischenmenschlichen Beziehungen tatsächlich einer Begründung des Verbotes zu Töten braucht, kann ich aus philosphischer, religiöser oder rechtlicher Sicht nicht ausführen.

      Wohl aber habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was geschieht, wenn töten (legitimer Weise) von einem Arzt verlangt werden darf und welche Auswirkungen es auf der anderen Seite hat, wenn der Arzt entscheidet ob er einen Menschen tötet oder ihn weiterbehandelt (wenn auch “nur” mit hochdosierter Schmerztherapie).

      Tötung auf Verlangen: Gehen wir einmal davon aus, dass das Recht auf Verlangen von Tötung nur jemandem für sein eigenes Leben zugestanden werden könnte. Ich habe schon viele (geriatrische und palliativmedizinische) Patienten gesehen, die ihre Meinung sterben zu wollen geändert haben. Es ist nämlich in der Natur jedes geistig gesunden Menschen verankert (über)leben zu wollen – auch wenn er das Gegenteil artikuliert. Ist dieser Artikulation (infolge Schmerzen, Krankheit oder welcher Ursache auch immer) aber nachgekommen worden, dann gibt es kein Zurück mehr, und eine Willensänderung ist auch nicht mehr möglich.

      Von der Seite des Arztes betrachtet würde das bedeuten, dass der Hr. Doktor heute tötet und morgen heilt. Stelle sich einmal jemand vor, in einem Mehrbettzimmer im Spital zu liegen, wo der Oberarzt oder Chefarzt gestern bereit war menschliches Leben des Bettnachbarn zu beenden (aktiv Hand anzulegen!) und heute sollte derselbe Mensch mit all seinem Können dafür eintreten, mein Leben zu retten.

      Oder aber die bessere Variante: es sollte dann nur mehr deklariert “tötende” Ärzte und deklariert “nicht tötende” Ärzte geben. Damit würde sich der Arztwechsel für den Patienten auch eindeutiger und rascher vollziehen lassen. So wie ich mich als “niemals tötender” Arzt deklariere, wird es wird bestimmt auch Ärzte geben, die bereit sein werden landaus-landein zu ziehen, um Patientenwünsche nach Beenden ihres Lebens zu erfüllen, sodass dies sogar flächendeckend zur Verfügung stünde. (Ob die Krankenkassen die Reisekosten des Arztes übernimmt – darauf sollte es dann nicht mehr ankommen. Wer sich diesen Service wünscht, muss halt – ohnehin nur einmalig – für die entstehenden Kosten aufkommen.)

      Nun noch zu dem angeführten Beispiel: Das stinkende – aus der Haut ausbrechende – Karzinom entstand nicht von einem Tag auf den anderen. Der Patient/Die Patientin ging mit diesen Beschwerden zumindest monatelang nicht zum Arzt. Als der Arzt noch hätte helfen können (ich sage nicht hätte heilen können) wusste der Patient es besser – aber jetzt … soll der Arzt ihn töten. Das macht sich der Laie meiner Meinung nach zu einfach!

      Die Möglichkeit, den Zeitpunkt des Lebensendes selbst zu bestimmen, gibt es. Diese nicht mehr rückgängig zu machende Tat aber einem anderen auftragen zu wollen oder gar von einem Dritten zu verlangen, erachte ich als unfair und feige. Diese Qualifikation wird auch dadurch nicht zu ändern sein, wenn das Argument geführt wird, dass man es im Krankenhaus oder im Pflegeheim nicht mehr selbst zustande bringt.

      1. Da du auf meine Antwort in meinem Blog nichts mehr sagst, schreib ich es eben auch hier hin:

        Bitte nimm’ es NICHT persönlich: aber vor solcher Härte und ärztlichem “Willen zur Macht” erschrecke ich!

        Nochmal: ich diskutiere hier keine “Pflicht” der Ärzte, sondern eine Erlaubnis – es geht also nicht darum, dass einzelne Ärzte niemals Beihilfe zur Selbsttötung leisten wollen, sondern dass jene, die dem Wunsch des Patienten folgen, keine juristischen und standesrechtlichen Folgen zu gewärtigen haben. Die individuelle Entscheidung ist NICHT dasselbe wie das Verlangen, es allen Ärzten zu verbieten!

        Weitere Rahmenbedingung, die gar nicht erst “erkämpft” werden muss: Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland straffrei. Wikipedia schreibt:

        “Selbsttötung mit Hilfe einer Person, welche ein Mittel zur Selbsttötung bereitstellt; dies geschieht oft in der Form, dass ein Arzt eine tödliche Dosis eines Barbiturats verschreibt und sie dem Patienten zur Verfügung stellt. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar, die dafür geeigneten Wirkstoffe dürfen aber für diesen Zweck nicht verordnet werden, es handelt sich deshalb u. U. um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz.”

        Was ich mir wünsche, würde also bezüglich der großen Mehrheit der Fälle nicht einmal eine großformatige Gesetzesänderung erfordern (allenfalls BTMG) sondern lediglich eine andere Haltung der Ärzteschaft. “Aktives Töten” ist das nicht – das wäre allenfalls in Bezug auf die wenigen Schicksale zu diskutieren, bei denen Patienten es nicht mehr fertig bringen, selbst ein Medikament zu schlucken. Hierbei könnte immer noch eine Bezugsperson das “Verabreichen” übernehmen, sofern sie dabei straffrei bliebe (was tatsächlich eine Gesetzesänderung braucht) und ein Arzt die Medikamente verschreibt.

        Die Ärzte sind nun mal wegen der Verschreibungspflicht in der Situation, die Einzigen zu sein, die den Zugang zu den entsprechenden Medikamenten legal vermitteln können. Die Alternative wäre illegaler Einkauf per Internet, was sich gewiss niemand wünscht, denn dabei ist unsicher, ob es das richtige Mittel ist – und Fehlschläge sind möglich.

        Reisende Sterbehilfe-Ärzte wären Ausdruck einer unbefriedigenden Rechtslage und alles andere als wünschbar! Bei 40% im Prinzip zur Sterbehilfe bereiten Ärzten wäre das jedoch auch nicht zu erwarten: in jedem Krankenhaus fänden sich ja welche…

        Warum ein Mensch seinen Tod nicht selbst bestimmen können soll, weil er auch den Anfang nicht bestimmt hat, kann ich nicht verstehen. (dazu schrieb auch Menachem, danke!) Menschliches Trachten richtet sich seit Jahrhunderten darauf, naturwüchsige Prozesse unter Kontrolle zu bringen. Und heute ist Familienplanung normal, künstliche Befruchtung nicht mal mehr selten – sogar der Geburtstermin wird oft nicht dem Zufall überlassen. Zwar wählt man nicht selbst, auf die Welt kommen zu wollen, doch bestimmen immerhin Menschen, dass sie jetzt ein Kind wollen – oder eben nicht, wenn es “passiert”, aber nicht gewollt wird.

        Dass wir im Grunde alle überleben wollen und man oft am Ende seine Meinung ändert: das hab ich im Artikel selber im letzten Absatz angesprochen. Dennoch ist es eine ganz andere Situation, wenn man weiß: ich kann und darf gehen, wenn ich möchte. Und zwar ohne Verlegung, ohne Reise in die Schweiz, ohne Probleme für den Arzt oder die Bezugsperson, die meinen Willen unterstützt.

        Zur “aktiven Tötung” in jenen Fällen, in denen der Patient es auch mit Medis alleine nicht mehr kann und auch keine andere Person ihm helfen kann: nehmen wir an, es gäbe ein Verfahren, das die aktive Sterbehilfe unter zu prüfenden Voraussetzungen erlaubt – ich hätte kein Problem damit, einem Arzt zu vertrauen, dass er versucht, mein Leben zu retten, bloß weil er im Fall eines Patienten, der NICHT gerettet werden, sondern aus dem Leben scheiden will, hilft. Ich verstehe nicht einmal den Gedanken, der hier ein Problem sieht! In allen Fällen agiert der Arzt im Sinne des Patientenwillens – und nur, weil er das DARF und auch TUT, muss man doch nicht fürchten, dass er bei Weiterlebenswilligen Patienten nicht den vollen Einsatz bringt. Mir ist wirklich ein Rätsel, was hinter diesem Bedenken steht!

        Nun noch zum Beispiel, bei dem mich deine Antwort so erschreckt hat: Woher willst du wissen, wie es zu diesem Tumor gekommen ist und ob und wann und wie der Patient sich behandeln ließ oder auch nicht? Es ist ein Fall, den Pflegekräfte im Krankenhaus für ein “unerträgliches Ende” angeführt hatten – nicht etwa ein Fall aus der Notaufnahme. (Ich kann das evtl. noch nachchecken!)

        “Der Patient/Die Patientin ging mit diesen Beschwerden zumindest monatelang nicht zum Arzt. Als der Arzt noch hätte helfen können (ich sage nicht hätte heilen können) wusste der Patient es besser – aber jetzt … soll der Arzt ihn töten. “

        Ich vermute mal, du spielst darauf an, dass man den Tumor zuvor hätte operieren können/sollen – auch ohne Heilungsaussicht. Da wir beide von dem Fall keine weiteren Infos haben, ist das erstmal eine Vermutung. Deine Meinung bedeutet allerdings, dass man sich als Patient von der Wiege bis zur Bahre den ärztlichen Verordnungen unterwerfen muss – also z.B. alle Chemos, Bestrahlungen, Ops etc. mitmachen, um VIELLEICHT am Ende einen angenehmeren Tod zu haben als ohne all das. Wie ich weiß, wollen das manche Menschen nicht – lieber keine Krankenhaus-Karriere, sondern leben so lange es noch erträglich ist und dann einen schnellen Abgang. Diese Entscheidung finde ich voll in Ordnung – wir haben keine Behandlungspflicht. Und unter der Prämisse, dass kein Arzt beim Freitod helfen MUSS, sollte es doch kein Problem sein, diesen Willen zu respektieren und gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen, dass dem auch entsprochen werden kann – von jenen, die dazu bereit sind.

        Dass Entscheidungen Konsequenzen haben, sollte uns nicht fremd sein. Wer sterben will, hat weder Grund noch jemals die Gelegenheit, die Entscheidung zu bedauern.

        Soweit für jetzt.

    2. @ Claudia, Ich habe nun auch in deinem Blog http://www.kunst-des-alterns.de geantwortet. Ich gratuliere dir zu deinem überzeugenden Schreibstil, bei dem man gar nicht aufhören möchte zu lesen und auf’s Erste die darin enthaltenen Unschärfen nicht erkennt. Vielleicht ist es nicht meine Aufgabe auf Kommentare in meinem Blog zu replizieren, sondern liegt der Sinn eines Blogs viel eher darin, ein Thema online zu stellen über das Andere dann öffentlich – unter sich – diskutieren sollten. Ich weiß es (noch) nicht. Vorerst kommentiere ich einmal deinen Beitrag:

      @Menachem dass kein Mensch das Lebensende bestimmen darf, weil er auch nicht dessen Anfang bestimmt hat. und @Claudia Warum ein Mensch seinen Tod nicht selbst bestimmen können soll, weil er auch den Anfang nicht bestimmt hat, kann ich nicht verstehen. (dazu schrieb auch Menachem, danke!)

      Hier meine ursprüngliche Formulierung: „Ich vertrete die Meinung, dass kein Mensch … das Lebensende herbeiführen darf. (Meine persönliche Erklärung dafür ist) … So wie Menschen keinen Lebensbeginn bestimmen können, dürfen Menschen auch ein Lebensende nicht bestimmen.“ Die Erklärung ist allgemein und nicht auf ein Individuum abgestellt. Nicht er hat dessen Anfang nicht bestimmt, sondern allgemein – „Menschen können keinen Lebensbeginn bestimmen“. Wir Menschen (Mediziner) wissen nicht und können auch nicht bestimmen, ob eine Eizelle befruchtet wird, ob das befruchtete Ei sich in der Gebärmutter regelrecht einnistet, ob sich die Frucht zu einem lebensfähigen Embryo entwickelt, ob die Frau die Schwangerschaft austrägt, oder ob es (trotz aller Vorsichtsmaßnahmen) zu einer Lebendgeburt kommen wird. Das gilt allgemein und hat alles nichts mit Familienplanung oder in vitro fertilisation zu tun.

      … vor solcher Härte und ärztlichem “Willen zur Macht” erschrecke ich!
      Meine Meinung gründet sich nicht auf „Willen zur Macht“ – ganz im Gegenteil: Auch wir Ärzte dürfen nicht legitimiert werden, das Leben eines anderen Menschen auszulöschen; und wir sollen auch nicht die Maßnahme(n) bereitstellen, bestimmen oder gar umsetzen müssen, wodurch jemand aus dem Leben scheidet. Diese Forderung stellt Zurückweisen von Macht dar und nicht Willen zur Macht.

      Nochmal: ich diskutiere hier keine “Pflicht” der Ärzte, sondern eine Erlaubnis – es geht also nicht darum, dass einzelne Ärzte niemals Beihilfe zur Selbsttötung leisten wollen, sondern dass jene, die dem Wunsch des Patienten folgen, keine juristischen und standesrechtlichen Folgen zu gewärtigen haben.

      Ich habe auch mit der bloßen Erlaubnis (Straffreiheit) schon ein Problem, weil es unter unserer Spezies Mensch leider Individuen gibt, die jede gesetzliche Möglichkeiten nützen, um sie zur Durchsetzung eigener (unmenschlicher) Interessen zu missbrauchen. Derartige Überlegungen spielen wahrscheinlich auch in der Diskussion um Abschaffung der Todesstrafe eine Rolle.

      Die individuelle Entscheidung ist NICHT dasselbe wie das Verlangen, es allen Ärzten zu verbieten!
      Leider verstehe ich nicht, was du damit sagen möchtest.

      Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland straffrei. Wikipedia schreibt: „…”
      Wikipedia ist nicht die einzige Wahrheit: Barbiturate sind für bestimmte Indikationen zugelassen. Eine bei Wikipedia beschriebene Handhabung kann jeder Arzt für sich selbst entscheiden und muss er mit seinem Gewissen in Einklang bringen. Wer ein Präparat in unüblicher Dosierung oder für eine nicht zugelassene Indikation verordnet, hat (zu Recht) die sich daraus ergebenden Folgen zu tragen. Wenn sich der Arzt dann vor dem Richter verantworten muss, wird ihm Wikipedia wohl nicht helfen.
      Ich frage mich: Welche Änderung wird hier überhaupt gewünscht, wenn es doch ohnehin „nur“ um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz geht? Ich bin kein Jurist und möchte Wikipedia nicht kommentieren, ob das Verschreiben einer tödlichen Dosis nur ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz ist, wenn die dafür geeigneten Wirkstoffe zu diesem Zweck nicht verordnet werden dürfen.

      Was ich mir wünsche, würde … lediglich eine andere Haltung der Ärzteschaft erfordern.
      Ich stelle mal folgende Fragen in den Raum: Aufgrund welcher neuer Fakten sollte sich die Haltung der Ärzteschaft ändern? In welche Richtung sollte sich die Haltung der (gesamten?) Ärzteschaft ändern (wo du doch selbst Ergebnisse von Umfragen aus Frankreich und DE zitierst?).

      “Aktives Töten” ist das nicht – das wäre allenfalls in Bezug auf die wenigen Schicksale zu diskutieren, bei denen Patienten es nicht mehr fertig bringen, selbst ein Medikament zu schlucken. Hierbei könnte immer noch eine Bezugsperson das “Verabreichen” übernehmen, sofern sie dabei straffrei bliebe (was tatsächlich eine Gesetzesänderung braucht) und ein Arzt die Medikamente verschreibt.
      @Claudia, könntest Du diesen Absatz bitte erklären? Was ist kein „Aktives Töten“? Wie genau geht es vor sich, dass eine Bezugsperson das „Verabreichen“ (wovon?) an jemanden übernimmt, der es nicht mehr fertig bringt, selbst ein Medikament zu schlucken? Und wer sollte die „Bezugsperson“ sein, die dabei straffrei bleiben soll? Und warum schließlich soll/muss ein Arzt die Medikamente verschreiben? In jedem Spital und in jedem Altersheim stehen entsprechende Substanzen (auch Barbiturate) in ausreichender Menge zu Verfügung. Auch kann jeder im Laufe seines Lebens (seiner Krankheit) genügend Medikamente verschreiben lassen und „sammeln“, um sie dann – zum gegebenen Zeitpunkt – selbst in Form einer tödlichen Überdosis einzunehmen.
      Welch gefährlichen Situationen mit einer neuen Regelung Tür und Tor geöffnet wird, kann schon heute im Chronik-Teil von Tageszeitungen nachgelesen werden (Erbschaft, Pflegeheimpersonal, Pflegeheimbetreiber, überlastete Angehörige etc. etc.).
      Damit wir in unserer Diskussion eine einheitliche „Nomenklatur“ verwenden, d. h. dass jeder weiß wovon der andere spricht, habe ich in einen Artikel unter dem Titel Sterbehilfe – Sterbebegleitung eingestellt.

      Die Ärzte sind nun mal wegen der Verschreibungspflicht in der Situation, die Einzigen zu sein, die den Zugang zu den entsprechenden Medikamenten legal vermitteln können.
      Das stimmt einfach nicht, s.o. – in jedem Spital und in jedem Pflegeheim gibt es entsprechende Medikamente in ausreichender Menge.

      Die Alternative wäre illegaler Einkauf per Internet, was sich gewiss niemand wünscht, denn dabei ist unsicher, ob es das richtige Mittel ist – und Fehlschläge sind möglich.

      Dass die Alternative keineswegs illegaler Einkauf per Internet ist, habe ich oben schon aufgezeigt (Medikamente sammeln, Strom, i.V. Injektion von Luft, und viele andere Formen des Tötens oder des Suizids sind möglich). In Wirklichkeit geht es ja gar nicht um das Verschreiben, wie sich dies bei oberflächlicher Leseart darstellt. Durch die „Hintertür“ kommt die Forderung an den Arzt, die Verant¬wortung zu tragen, dass alles schmerzlos, sicher und ohne Pannen verläuft. Einer muss ja aber auch dafür geradestehen, wenn den Angehörigen das Sterben zu lange gedauert hat, oder unwürdig war weil der Getötete „gezuckt“ hat etc. Überleg’ doch mal wer da den Willen zur Macht anstrebt oder wer die Macht (zwecks Übernahme der Verantwortung) auf die Ärzte abwälzen möchte. (Wenn sich Patientenwunsch oder Patientenwille nach Meinung von Angehörigen nicht erfüllt, dann klagen sie den Arzt. – Das ist allerdings ein eigenes Thema.)

      Bei 40% im Prinzip zur Sterbehilfe bereiten Ärzten .. in jedem Krankenhaus fänden sich ja welche…

      Möchtest du damit sagen, dass als nächster Schritt legalisiert werden muss, dass in Spitälern nicht mehr nur geheilt wird, sondern auch getötet werden darf?

      Dennoch ist es eine ganz andere Situation, wenn man weiß: ich kann und darf gehen, wenn ich möchte. Und zwar ohne … Probleme für den Arzt oder die Bezugsperson, die meinen Willen unterstützt.

      Ich spreche niemandem das Recht ab, gehen zu können und gehen zu dürfen, wenn und wann er möchte. Aber er möge das auf eigene Verantwortung und höchstpersönlich vornehmen, ohne einem Arzt oder einer Bezugsperson die Tat der Tötung zuzuschieben.

      ich hätte kein Problem damit, einem Arzt zu vertrauen, dass er versucht, mein Leben zu retten, bloß weil er im Fall eines Patienten, der NICHT gerettet werden, sondern aus dem Leben scheiden will, hilft. Ich verstehe nicht einmal den Gedanken, der hier ein Problem sieht! In allen Fällen agiert der Arzt im Sinne des Patientenwillens – und nur, weil er das DARF und auch TUT, muss man doch nicht fürchten, dass er bei Weiterlebenswilligen Patienten nicht den vollen Einsatz bringt. Mir ist wirklich ein Rätsel, was hinter diesem Bedenken steht!

      Könntest Du Dir gar nicht vorstellen, dass jemand (gegen entsprechendes Honorar) den „Barmherzigen“ abgibt? Und was passiert wenn wir in den Spitälern nicht mehr nur zu heilen versuchen, sondern auch töten dürfen. Kannst Du dir gar kein Regime vorstellen, dass seine Gegner derart auf „elegante“ Weise los wird, bloß weil irrtümlich eine falsche Diagnose gestellt wurde, und schon genügend Menschen Zeugenschaft darüber abgeben können, dass Hr. XY nichts anderes sehnlicher wünscht als „nicht leiden zu müssen“?
      Ich kann verstehen, dass es (vorzüglich) junge Menschen gibt, die von der Integrität der Menschheit insgesamt und von Ärzten im Besonderen überzeugt sind. (Ob diese Ansicht auch standhält, wenn absolute Integrität ebenso für alle ihre Lehrer in der Schule gelten soll?) Ich wünsche Ihnen, dass sie nicht eines Tages eines „Besseren“ belehrt werden und eine riesige Enttäuschung hinnehmen müssen.

      Nun noch zum Beispiel, bei dem mich deine Antwort so erschreckt hat: Woher willst du wissen …

      Natürlich weiß ich nicht, wie es zu diesem Tumor gekommen ist und ob und wann und wie der Patient sich behandeln ließ – oder auch nicht. Die Beschreibung passt halt relativ genau auf eine spezielle Art von Karzinom (blumenkohlartig-exulcerierend und stinkend). Ich gehe in meinem Beitrag auch nicht auf einen individuellen Fall ein (bei dem beschriebenen Fall hast du ja nicht erwähnt, dass der Patient die Tötung verlangte – vielmehr kommt mir das als ein „Vorschlag“ der Pflegekraft vor), sondern ich stelle allgemein fest …

      Deine Meinung bedeutet allerdings, dass man sich als Patient von der Wiege bis zur Bahre den ärztlichen Verordnungen unterwerfen muss – also z.B. alle Chemos, Bestrahlungen, Ops etc. mitmachen, um VIELLEICHT am Ende einen angenehmeren Tod zu haben als ohne all das.

      Deine Interpretation, was meine Meinung bedeutet ist nicht richtig. Ich kann jeden Patienten verstehen, der seine Einwilligung zu bestimmten Therapien verweigert. Mehr noch als das: Wenn ich in gerichtlichem Auftrag den mutmaßlichen Patientenwillen zu ergründen habe, gilt es die Autonomie des Patienten in größtmöglichem Ausmaß zu wahren und zu respektieren. Dann schreibe ich ins Gutachten: Der reine medizinische Sachverstand und selbst eine eindeutige medizinische Indikation reichen nicht aus für die Entscheidung, eine medizinische Maßnahme gegen den Patientenwillen zu setzen. Ich schließe mich dabei ganz der Meinung der Juristen an: Nicht Ärzte haben ein Recht zu behandeln, sondern Patienten haben das Recht behandelt zu werden.

      … leben so lange es noch erträglich ist und dann einen schnellen Abgang.

      Einen „schnellen Abgang“ kann man sich zwar wünschen, was aber nicht dem Recht gleichkommt einen solchen von irgend jemandem verlangen zu dürfen. Ich kann mir wünschen, ohne finanzielle Sorgen zu leben – aber deswegen darf ich von niemandem verlangen für mich eine Bank auszurauben.
      Ich halte es für egoistisch und gleichzeitig für falsch, wenn Leute glauben, dass Ärzte den Willen der Patienten zu erfüllen haben. Schon gar nicht in dem Fall, da sich der Patient wünscht umgebracht zu werden. Der Patient kann zwar bestimmen, welche Behandlung er an sich nicht zulassen will, er kann sich aussuchen, welche von vorgeschlagenen Behandlungen er wählt, der Patient kann aber nicht verlangen was ein Arzt (an ihm) zu tun hat. Ärzte sind nicht Erfüllungsgehilfen für absurde und/oder strafbare Patientenwünsche und auch nicht Handlanger eines Systems. Auch der Behandlungsvertrag zwischen Patient und Arzt ist ein Vertrag, aber ärztliche Leistung an Gesundheit und am Leben von Patienten, lässt sich nicht ohne weiteres mit anderen Dienstleistungen vergleichen.

      Dass Entscheidungen Konsequenzen haben, sollte uns nicht fremd sein. Wer sterben will, hat weder Grund noch jemals die Gelegenheit, die Entscheidung zu bedauern.

      Wenn ein psychisch Gesunder sich so sicher ist, dass er sterben will, dann möge er auch den Mut aufbringen und dieses Vorhaben selbst umsetzen. Niemand soll mir erklären, dass er nicht wüsste, wie er an sein Ziel kommen kann, ohne dazu jemand anderen in Anspruch nehmen zu müssen.
      Deine beiden Schlusssätze schließen nun den Kreis zu meinem Eingangsstatement: Dein Schreibstil ist phänomenal – ganz ernst! Der Inhalt dieser beiden letzten Aussagen ist aber wohl mehr von Zynismus getragen, als von substanziellem Beitrag zu einer seriösen Diskussion – oder?

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