Behandlungswürdige Krankheiten und nicht behandlungswürdige Veränderungen

Im diagnostischen Bereich der Geriatrie wird abgeklärt, ob die Beschwerden des geriatrischen Patienten auf eine behandelbare Krankheit oder auf eine nicht behandelbare Veränderung zurückzuführen sind. Es versteht sich, dass alle behandelbaren Krankheiten nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt werden. Folgende Ausführungen beziehen sich nicht auf die Unterscheidung nach behandelbaren und nicht behandelbaren Krankheiten, sondern auf behandlungswürdige Krankheiten und nicht behandlungswürdige Veränderungen.

Als behandlungswürdig sind alle Krankheiten und Beschwerden (z.B. Schmerzen) einzustufen, deren Therapieerfolg für ein Individuum einen Zuwachs an Lebensqualität bringt. Ob Therapien einem Individuum Nebenwirkungen verursachen oder für einen Patient gar unerwünschte Wirkungen haben, hängt von der Therapiewahl, von der Medikamentendosierung, von der Abwehrlage des Patienten und von dessen Ausgangszustand ab. Ob die behandlungswürdige Krankheit bei einem bestimmten Patienten aber einer (z. B. operativen) Therapie zugeführt wird, hängt vom Ergebnis ab, zu dem behandelnde Ärzte kommen, nachdem sie die Therapierisiken für diesen bestimmten Patienten abgewogen und beurteilt haben. Jedenfalls muss beim Einsatz einer therapeutischen Maßnahme die therapeutische Wirkung die (zu erwartenden) Nebenwirkungen überwiegen.

Nicht behandlungswürdig sind Veränderungen, deren Auftreten im Alter einerseits als physiologisch bezeichnet werden kann und deren Therapie andererseits für das Individuum mehr Nebenwirkungen verursacht als „Mehr an Lebensqualität“ bringt. Als Beispiele solcher Veränderungen seien hier angeführt: Veränderungen der Haut (Altersflecken), des Unterhautbindegewebes (Falten), Nachlassen der Gedächtnisleistung, geistiges Trägerwerden, Änderung des Schlafbedürfnisses, raschere Ermüdbar­keit, Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates uvm.

Eine Sonderstellung nehmen behandlungswürdige Krankheiten ein, bei denen es zu beurteilen gilt, ob der im ausgeheilten Zustand erlangte „Zuwachs an Lebensqualität“ mit einem Vorteil für den Patient einhergeht. Ist es sinnvoll einen verwirrten Patienten an seinen Sturzfolgen zu operieren, wenn ich von vornherein weiß, dass er den Anordnungen für die Rehabilitation notwendigen Bewegungsübungen aufgrund seiner Verwirrtheit nicht wird Folge leisten können? Die Alternative wäre, den Schenkelhals­bruch (genau so wie z. B. einen Schambeinbruch) nicht zu operieren, sondern den Patient schmerzfrei zu halten und den Knochenbruch der Selbstheilung überlassen.

Tipp: Es ist nicht immer zum Vorteil eines Patienten, wenn alles behandelt wird, was behandelt werden kann.

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